Samstag, 10. Oktober 2009

Zweite Bälle – zweite Welle

In den letzten Jahren haben ein paar neue Idiome in die Fußballsprache Einzug erhalten. Dazu gehört das „kompakte Stehen“, die „Doppel-Sechs“ oder auch der sagenumwobene „zweite Ball“.

Während sich hinter dem „kompakten Stehen“, nichts anderes verbirgt, als dass ein sogenannter Wadenbeißer dem gegnerischen Spielmacher in der Pause bis aufs Klo folgt, ist auch die „Doppel-Sechs“ verhältnismäßig einfach zu erklären. In grauer Urzeit waren die Spieler einer Fußballmannschaft noch relativ einfallslos von eins bis elf durchnummeriert. Dieses Phänomen lässt sich gelegentlich noch bei unterklassigen Amateurpartien beobachten. Dies wird aber wahrscheinlich kaum noch jemandem bewusst sein. Denn wer guckt sich am Sonntagnachmittag schon das Lokalteam auf dem Sportplatz um die Ecke an, wenn am Wochenende rund um die Uhr Bilder von der Moneyliga Bundesliga über die Mattscheibe flimmern?

Zurück zum Thema. In der guten, alten Zeit konnte man Anhand der Rückennummer sofort erkennen, auf welcher Position ein Spieler sein taktisches Tagewerk zu vollbringen hatte. Der rechte Verteidiger trug die 2, der linke die 3, der Stopper lief mit der 4 auf und den fast vergessenen Libero zierte die Nummer 5. Davor spielte auf der zentralen Defensivposition (hinter dem klassischen 10er) eben die 6.

Da es heutzutage aus taktischen Gründen immer mehr in Mode kommt, diesen Posten doppelt zu besetzen, die Spieler aber aus marketingtechnischen Gründen (Trikotverkauf) feste Nummern haben, spricht man von der „Doppel-Sechs“. So einfach ist das.

Etwas schwieriger wird es, den „zweiten Ball“ zu erklären. Wer immer der Meinung ist, etwas Ahnung von moderner Taktik zu haben, der wird nicht müde, zu erwähnen, wie enorm wichtig es sei, den „zweiten Ball“ zu erobern.

Dabei habe ich mich lange gefragt, was eigentlich dagegen spricht, das Augenmerk bereits auf den ersten Ball zu richten?

Die banale Erklärung hierzu lautet, dass sich eine Mannschaft nach einer abgewehrten Standardsituation (→Abstoß, →Freistoß, →Eckball, →Einwurf ) gefälligst um die Rückeroberung des Spielgeräts zu bemühen hat, um bei Ballgewinn den bereits in der Vorwärtsbewegung befindlichen Gegner erneut in Bedrängnis zu bringen.

Zu welch unsportlichem Verhalten die neue Relevanz des „zweiten Balles“ zuweilen führt, zeigt das folgende taktische Vorgehen. Hat eine Mannschaft einen verletzten Spieler, spielt sie den Ball gewöhnlich ins Aus, um eine schnelle Behandlung zu gewährleisten. Nach der Unterbrechung wird der Ball vom Gegner, ganz wie es dem Fairplay gebührt, zurückgegeben. Allerdings wird dabei der Ball möglichst dicht in der Nähe der Eckfahne ins Aus gedroschen. Nach der vermeintlich fairen Geste hat man jetzt beim Einwurf die Möglichkeit, über den „zweiten Ball“ nahe der Grundlinie in Ballbesitz zu kommen und sich so eine Torchance zu erarbeiten.

Eine ganz fiese Sache ist das!

Fies ist übrigens auch die zweite Welle der Schweinegrippe, die zurzeit über uns hereinbricht. Dabei wäre dem Ganzen doch so leicht Einhalt zu gebieten, würde man einfach den paar Verhaltensregeln der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung folgen. Mit welcher Ignoranz diesen Regeln aber entgegengetreten wird, musste ich am vergangenen Sonntag im Stadion beobachten. Da muss sich dann keiner wundern, dass es an allen Ecken und Enden schnieft und trieft.

1.) Hände waschen und vom Gesicht fernhalten
Aufgrund der kurzen Wartezeiten bevorzuge ich den Toilettencontainer hinter der Gegengeraden ganz links neben dem letzten Bierstand. Leider besticht dieser durch eine ganz eigene Ursprünglichkeit und verfügt nicht einmal über ein Waschbecken. Also wird sich fröhlich über die Finger gepinkelt und nach dem Spiel in der Kneipe unbedacht in die Erdnussschale gegriffen. Guten Appetit!

2.) Hygienisch husten
Ich habe keine Ahnung wer, wo, welches Kraut inhaliert, die anschließenden Huster laden aber nach meinen Beobachtungen NIE in der Armbeuge.

3.) Krankheit zu Hause auskurieren
…und eben nicht im Stadion. Das geht bei Sturmböen mit einhergehenden Starkregen sowieso schief.

4.) Auf erste Anzeichen achten
Wer also trotz ansehnlicher Spielweise unserer Mannschaft Unwohlsein und Missmut verspürt, der sollte schleunigst den Arzt Bierstand aufsuchen.

5.) Gesund werden
„Stimmen Sie das weitere Vorgehen telefonisch mit Ihrem Arzt ab“, heißt es unter diesem Punkt. Da sieht man mal wieder, dass nur Theoretiker mit dem Verfassen solcher Merkblätter beschäftigt sind. Wer während des Spiels schon mal probiert hat, zu telefonieren, dem ist ob des Geräuschpegels die Ausweglosigkeit dieses Unterfangens bewusst.

6.) Familienmitglieder schützen
Sofern man von der großen St. Pauli-Familie sprechen kann, sollte man auch deren Mitglieder schützen. Und da sollte dann tunlichst darauf verzichtet werden, im großen Kreis Sportzigaretten und Bierbecher freizügig herumzureichen. Selbst auf Umarmungen und Küsschen beim Torjubel solltet ihr jetzt verzichten.

7.) Geschlossene Räume regelmäßig lüften
Wenn ich eine gut belüftete Kneipe kannte, dann würde ich dort nach dem Spiel mein Bier ohne Angst vor H1N1 genießen. So bleiben doch nur die altbekannten, viren- und bakterienverseuchten Räucherhöhlen.

8.) Abstand halten, Menschenansammlungen meiden
Ausgerechnet jetzt wird auch noch die Haupttribüne abgerissen. Da heißt es auf den verbleibenden drei Traversen enger zusammenzurücken. Eine kontraproduktivere Aktion als diese, kann ich mir kaum vorstellen. Andererseits würde das neue „Littmannloch“ aber die Belüftung fördern…

9.) Über Hygienemasken Bescheid wissen
Stellt sich erst einmal die Frage, ob ein Fanschal als Hygienemaske durchgeht, und dann würde mich mal interessieren, was die Polizei bezüglich des Vermummungsverbots zu diesem Vorschlag sagt.


Mein Tipp: Entspannt euch an diesem spielfreien Wochenende gemütlich auf der heimischen Couch, strotz somit der zweiten H1N1-Welle und zieht euch am Fernseher rein, wie sich die Nutella-Boys darum bemühen, die zweiten Bälle zu erobern.


Wenn ihr dann alle wieder auf dem Damm seid, erkläre ich, wie man gegen den Ball arbeitet und was es bedeutet, das Spielfeld klein zu halten.

Oink!



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