Samstag, 11. September 2010

Die AstraLiker

ÜBERSTEIGER #100

Mittlerweile ist es über 20 Jahre her, dass eine kleine Gruppe notorischer Bier- und Fußballliebhaber hinter dem Tor der Nordtribüne, als diese noch „die“ Fankurve war, erste Pläne schmiedete, einen eigenen Fanclub ins Leben zu rufen.
Da diese kleine Fraktion aber ebenso lethargisch wie unentschlossen war, passierte zunächst gar nichts. Als dann aber, pünktlich zum 100jährigen Vereinsjubiläum, der fünfte Aufstieg in die Bundesliga feststand, stellte sich der gegenwärtige Pressesprecher die Frage: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ So fasste er sich kurzerhand ein Herz und streute im erweiterten Bekanntenkreis, die Idee, endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen. Auch wenn es aus unterschiedlichen Gründen einige Absagen hagelte, fanden sich schlussendlich fünf Frauen, aus denen sich heute übrigens die weibliche Doppelspitze rekrutiert, und 13 Männer zusammen, die aus verschiedensten Motiven heraus das Abenteuer Fanclubgründung angehen wollten. Zwar erfüllen leider auch wir das sich hartnäckig haltende Klischee nicht, dass am Millerntor der Banker neben dem Punker steht, an Vielschichtigkeit mangelt es uns dennoch nicht. So zählen zu unseren Mitgliedern ebenso erfolgreiche Unternehmer wie elende Sozialschmarotzer, erfahrene Ärzte wie chronische Patienten, fachkundige Fußballtrainer wie neunmalkluge Besserwisser, schwere Alkoholiker wie überzeugte Vegetarier, dilettantische Querulanten wie querulantische Dilettanten, brillante Rhetoriker wie beflissene Erbsenzähler, berühmte Schauspieler wie erfolglose Musiker, ökologische Bauern wie verwöhnte Großstadtkinder, leidenschaftliche Piloten wie enthusiastische Jogger, angemachte Blondinen wie ausgemachte Sozialquatscher, klasse Lehrer wie tranige Erzieher, retardierte Schweizer wie schroffe Schotten. Und einer von uns trägt sogar Windeln für Erwachsene – zumindest rein statistisch gesehen, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Diese unendliche Vielschichtigkeit gepaart mit üppigen Gemeinsamkeiten sollte sich dann auch entscheidend in der Namensgebung widerspiegeln. So ist der gemeine AstraLiker ebenso abhängig vom Gebräu aus der Knolle, wie der Alkoholiker vom Alkohol. Deutet man es etwas freundlicher, so mag er einfach nur den legendären Gerstensaft aus dem Herzen der hanseatischen Metropole. Darüberhinaus verfügt er über ein gesundes Maß an Astralenergie, um gegebenenfalls Schiedsrichter und Gegner mittels Telepathie oder zumindest offener Antipathie zu beeinflussen. Natürlich besitzt jeder AstraLiker auch einen entsprechenden Astralkörper, der, nicht zu verwechseln mit dem Adonis-Körper, ein Begriff zur Bezeichnung einer unsichtbaren, wolkenartigen Hülle ist, die nach manchen religiösen und okkulten Lehren den Menschen beziehungsweise dessen Seele umgibt und den Tod des materiellen Körpers überdauert. Dieses Faktum lässt dann auch die Interpretation des Namens als rein angelsächsischen Imperativ, null und nichtig erscheinen: „Die AstraLiker!“ („Stirb, Astra-Liebhaber“)



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