Donnerstag, 20. August 2009

Punk is Not Dead

Ungläubig rieb ich mir am Montagabend immer wieder die Augen. Hat man so eine Darbietung wie auf dem neuen Tivoli schon mal erlebt? Jedenfalls kann ich mich nicht an einen solchen Auftritt auf des Gegners Platz erinnern.

Damit wäre dann wohl auch eindeutig geklärt, dass auf meinem Urin Verlass ist. Wenigstens ein hochverdientes Unentschieden hatte ich letzte Woche prognostiziert. So wäre es vielleicht auch gekommen, wenn in der ersten Viertelstunde Matze Hain nicht in so bravouröser Manier die beiden Aachener Großchancen vereitelt hätte, wie ich es ihm ehrlich gesagt kaum noch zugetraut hätte. Was dann kam, beschrieb der „Sky“-Kommentator, deutlich untertrieben, nur noch als wundervollen Fußball.

Vielleicht sollte ich meine Harnflüssigkeit auf Flaschen ziehen und als Weihwasser zur Salbung des Totenkopfes teuer veräußern. Wer sich jetzt fragt, was für einen Schwachsinn ich hier gerade verzapfe, der liefert ein eindeutiges Indiz dafür, dass er gestern nicht der Welt bestes Fanzine erworben hat. Schämt euch was! Aber ich will mal nicht so sein und liefere euch, sofern ihr hoch und heilig Besserung gelobt, hier mal den Link zu meiner Kolumne im Übersteiger.

Da ich diesem fantastischen Anschauungsunterricht in Sachen Fußballkunst leider nicht persönlich beiwohnen konnte, lasse ich an dieser Stelle meinen langjährigen Kumpel Hinz seine Eindrücke vom Montag Revue passieren.

Zu Gast in Block N1

Was war passiert? Kurz nach Beginn der dritten Halbzeit verstummte der Jubel abrupt. Die Leute auf den hinteren Reihen in Block N1 des neuen Aachener Tivolis bekamen erst gar nicht recht mit, was passiert war. Doch in wenigen Sekunden sprach sich herum, was passiert war: Mini war mehrere Meter in die Tiefe gestürzt.

Die Fans, die bereits nach dem Kantersieg das Stadion verließen, mussten nur wenige Meter an dem leblos wirkenden Körper vorbei – Fassungslosigkeit.

Wie konnte es dazu kommen? Nach dem fulminanten Halbzeitstand von 4-0 für uns war kein Halten mehr. Die zweiten 45 Minuten wurden zu einer einzigen Party. Immer und immer wieder wurde der Gassenhauer

“Hier am Tivoli
Siegt der FC St. Pauli
Alemannia
Ihr verliert, das ist doch klar!“

geschmettert.


Reichlich Bier und auch andere Glücklichmacher steigerten die Laune zusätzlich. Die Aachener Fans in den benachbarten Blöcken wurden auf ihren Schalensitzen immer kleiner.

Vor allem in den ersten Reihen - des viel zu klein geratenen Stehplatz-Gästebereichs – wurde ekstatisch gefeiert. Freier Oberkörper, noch mehr Bier, Pogo pur – geil. Zu keiner Zeit, soweit ich es verfolgen konnte, schritt einer der anwesenden Ordner ein. Sie ließen das braun-weiße Partyvolk machen.

Eigentlich eine gute Sache, doch irgendwo ist der Spaß vorbei. Da sind mir ein paar Spaßverderber lieber, als dass ein Fan auf der Intensivstation landet. Sicher: Auf die Balustrade zu klettern ist verantwortungslos – und wenn es sich nur um Sekundenbruchteile handelte, war der Sturz nicht zu verhindern. Doch warum hat die Fans keiner darin gehindert überhaupt auf die Betonwand zu klettern?

So fragten sich auch Aachener-Fans auf dem Heimweg, wie konnte es dazu kommen? Warum haben unsere Ordner nichts gemacht?

Eins war auf allen Seiten ganz schnell klar: Fußball ist wirklich nur eine Nebensache. Den Aachener Fans war die eigene Klatsche plötzlich ziemlich egal und wir konnten uns über die Fußball-Gala von Stanis Männern kaum freuen.

PS: Wann lernen die Verantwortlichen in anderen Klubs eigentlich, dass auch die Fans gegnerischer Mannschaften ein Anrecht auf wirklich vernünftige Plätze haben? Zwar haben die Aachener ein beeindruckendes Stadion im englischen Stil ohne Rang, doch können nur die Gäste in den ersten Reihen das ganze Spielfeld sehen. Der Rest starrt auf eine Betonwand anstatt auf die Eckfahne.



Als ich am Dienstagmorgen von Minis tragischen Unfall hörte, hatte ich sofort unweigerlich die Bilder von Nils‘ entsetzlichen Absturz vor Augen. Warum müssen solche Dinge immer wieder passieren? Warum lassen sich diese Tragödien nicht verhindern?

Sven Brux stellte dazu richtig fest, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht geben könne, wenn jemand betrunken oder leichtsinnig oder gar beides sei.

Aber was wäre die Alternative? Wollen wir jetzt alle vernünftig werden? Wollen wir nach so einem historischen Sieg lediglich dezent Beifall klatschen, als ob Tommy Haas gerade eine knappe Erstrundenniederlage am Rothenbaum kassiert hätte, während wir uns in den Satzpausen mit S.Pellegrino erfrischt hätten?

Nein, wir werden weiter die Kurven der Republik rocken!

“Heute knallen wir uns zu mit Marihuana
Tonnenweise THC für St. Paulianer
Hektorliterweise Bier
Für eine Kurve außer Kontrolle!“


Sankt Pauli ist Punk, und…

Punk is Not Dead!


Übrigens haben wir in der Saison 2000/01 schon mal in einem Auftaktspiel doppelt so viele Toren wie Rot-Weiß Ahlen geschossen und das zweite Spiel mit 5-0 gewonnen. Auch im dritten Spiel schossen die Gastgeber seinerzeit zwei Tore. Dass wir damals beim Reutlinger 2-0 Heimsieg mit leeren Händen vom Platz gingen und so zum gleichen Zeitpunkt einen Zähler weniger auf der Habenseite hatten, soll jetzt nur mal am Rande erwähnt sein.
Was in jener Spielzeit mit einer weitaus weniger spielstarken Mannschaft unterm Strich herauskam, weiß wohl noch jeder von euch…



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