Dienstag, 26. Oktober 2010

Der Marsch auf das Neckarstadion

Gastartikel von Fuis Ligo

Prolog

Ich hatte ein Gelübde abgelegt, letzte Saison in der Winterpause: Ich will mir nicht mehr mein Haupthaar scheren, bis wir wieder in der ersten Bundesliga spielen. Das hatte ich im Winter 2006 schon mal zu Regionalligazeiten getan, da hatte es funktioniert. So saß ich denn als Matten-Joe auf der Tribüne in Fürth und in der 37. Minute gingen die Kleeblätter in Führung. Da begriff ich: für die Bundesliga musst du dem Fußballgott etwas mehr anbieten als nur die Wolle auf deinem Kopf und so schickte ich ein Stoßgebet gegen Rasen. „Wenn das hier heute glatt geht, dann gehe ich zu Fuß zu einem Auswärtsspiel in der 1. Liga!!!“ Der Fußballgott war uns gewogen. Und so war es an mir, mein Gelübde einzulösen.

Tja, lieber Fußballgott, vielleicht hast du uns gestern das Spiel verlieren lassen, weil du gemerkt hast, dass ich dich ein wenig verarscht habe. Ein Spiel des magischen FC in Stuttgart ist nämlich auch ein Auswärtsspiel und meine Wohnung und das Neckarstadion liegen nun mal nur knappe 30 Minuten Fußmarsch auseinander. Ein perfektes Szenario: das Spiel an einem Sonntag, wo ich nicht arbeiten muss und das Ganze vor allem zwei Wochen vor meinem feststehenden Abschied aus dem Schwabenland.

Ein Großteil der lustigen Querulanten und der anderen Begleiter aus der Fürth-Fahrt erklärten sich bereit, mich nicht nur moralisch zu unterstützen.

Auch der Süden hat inzwischen eine relativ große St. Pauli Sympathisanten Community, die zum Teil aus Zugereisten besteht, zum Teil aus Menschen, die mal in Hamburg gelebt haben und vielen, denen einfach der Verein und sein Image oder die Attitüde der Fans gefällt. Letzte finden vor allem bei den Exil-Supporters ihre Heimat hier in Stuttgart oder sind halt gar nicht organisiert. Das Tragen eines Totenkopf-Puzenpullis gilt auch hier in gewissen Kreisen als chic, ohne dass man zwingend wissen muss, was eigentlich das Millerntor ist.

Der Sonnabend Abend

Irgendwie hatten wir es noch nicht geschafft, offiziell die Gründung unseres OSP-Fanclubs „die lustigen Querulanten“ zu zelebrieren, das war ein guter Anlass, das nachzuholen. Leider war unsere Gruppe durch eine scheinbar bundesweit grassierende Erkältungswelle dezimiert, aber die wichtigsten Gründungsmitglieder waren doch zugegen; Reisegruppe Hamburg hatte sogar das Glück, mit der Mannschaft unseres magischen FC den Flieger geteilt zu haben. So konnten wir dann die erste offizielle Sitzung unseres Fanclubs abhalten und den folgenden Tag planen. Das ganze war eine sehr sachliche Runde mit diversen Workshops, u.a.: „dänische Hot Dogs basteln für Schwaben“ – „ist Kiel die hässlichste Stadt Schleswig Holsteins“ und der „süddeutsches und norddeutsches Biervergleichs-Workshop.“

Sonntag Mittag – 13:45

Ich hatte alle Gruppen und Gruppierungen eingeladen, am Marsch zur Erfüllung meines Gelübdes teilzunehmen, was leider nicht auf so ganz große Gegenliebe stieß.

Die Exilanten trafen sich in unserer Stammkneipe und wollten von da aus direkt zum Stadion. Reisegruppe II aus Hamburg, die ich am Bahnhof abholte, hatte sich einen Tisch im Paulaner reserviert und wollte ebenfalls direkt anreisen. So blieb nur der Inner Circle – statt 100 halt nur knapp 25, schade an sich. Aber meinen Respekt für die schöne Schablonen Bastelarbeit des Kosmos:

STUTTGART 1:2 STATT 21

Ich hatte zwei Arbeitskollegen von mir Karten besorgt, von denen einer noch nie bei einem Spiel des FC St. Pauli gewesen war – wir hatten verabredet, uns an der „Wendeplatte“ zu treffen, um dann zu unserem ersten Zwischenstop zu marschieren. Die Wagenburgstraße ist das verkehrstechnische Nadelöhr des Stuttgarter Ostens.

Die einen kamen mit der 42, die anderen mit der 40 – passte; dann die Talstraße hinunter mit Blick auf den Gaskessel und das Stadion bis zur Halte, wo schon zwei Kästen Astra Rotlicht auf uns warteten. Gut, mehr hätten wir wahrscheinlich auch nicht sein dürfen, sonst hätte die Statik des Raucherbalkons kapituliert. Astra-Rotlicht und Böklunder Würstchen ließen echte Heimatatmosphäre aufkommen.

Vor allem mein einer Arbeitskollege, im „normalen Leben“ Anhänger des Südsterns, war erstaunt über die entspannte Stimmung unserer Gruppe aus Stuttgartern, Nürnberger, Kielern, Hamburgern und Schaffhausenern, die sich alle irgendwann mal über den kleinen Stadtteilverein kennen gelernt hatten. Irgendwann brachen wir dann unsere Zelte ab, um uns zum Stadion aufzumachen.

Sonntag Nachmittag – 15:30

Sammeln vor dem Haus, während sich einige bei der Tankstelle nebenan noch mit diversen Genussmitteln eindeckten und die anderen sich schon mal warm sangen.

„Äh, wohnen sie alle hier?“, fragte uns irritiert ein Bewohner des Mietshauses, vor dem wir uns sammelten und wackelte sichtlich erleichtert von dannen, als wir das verneinten. So viel Sangesfreude wäre dann doch wohl zu viel für die Hausgemeinschaft gewesen, wie wir sie an den Tag legten. Unter altbekannten Schlachtgesängen wie dem „wir kommen aus dem Norden...“ zogen wir zum Schlachthof, die nächsten einsammeln. Meine Einladung, sich da zu treffen, wurde leider auch ignoriert, nur eine Gruppe aus Kaufbeuren, die in der Nähe ihre Autos geparkt hatte, schloss sich unserem Marsch an. Inzwischen tauchten auch die ersten Anhänger des „Vereins für Bahnhofsbau“ auf, so wie man sie kennt...schweigend. Was für ein komisches Völkchen. Die guckten uns irritiert an wie Peter Ustinov als Nero in Quo Vadis die Christen: „sie singen...warum singen die???“ Vor allem unser Gesang: „ihr seid nur ein Bahnhofsbauverein“ irritierte die Massen und brachte uns einige Schmährufe ein – ob das nun pro oder contra s21er waren...keine Ahnung. Auf der Brücke über der Suppe, die die hier Fluss nennen (also, das soll angeblich sowas sein wie die Elbe auch), konnte ich nicht anders, als das Badnerlied zu zitieren:

“Bei Konstanz ist der Rhein noch blau
Bei Mannheim wird er grau
Da fließt hinzu der Neckar
Die alte Schwabensau“

Neckarpark – 16:00

Jetzt wurde es kompliziert; einige unsere Mitmarschierenden wollten noch Bekannte beim PSV (Polizeisportverein) treffen, die anderen wollten direkt zum Block und da stellte sich noch die Frage, wie kommen wir denn überhaupt zum Block. Tja, plötzlich war die eine Hälfte unserer Truppe weg, denn die, die auf der linken Straßenseite liefen, wurden plötzlich links um die Hufeisenarena herum geleitet und der Rest lief dann weiter, den bekannten Weg zur Untertürkheimer Kurve. Tja, leider war der bekannte Weg für Gästefans gesperrt...oder überhaupt für alle??? Schulligung, liebe Spätzleschaber, eure Informationspolitik, wer wo längs laufen sollte, war unterirdisch. Aber gut, das haltet ihr mit Bahnhofsbauten auch nicht anders. Da wird ja auch erst alles „demokratisch legitimiert“ und dann kommt raus, dass das alles so nicht klappt, wie ihr euch das vorgestellt habt, aber wird dann doch durchgeprügelt. Und warum man unbedingt einen Kellerbahnhof braucht, um schnell nach Paris oder Bratislava zu kommen, erschließt sich mir auch so spontan nicht. Ach so, weil ihr ja beim Verein für Bahnhofsbau nun nach dem Sieg gegen uns eine fulminante Aufholjagd startet, nächste Saison wieder europäisch spielt und der Gegner da St. Germain oder Slovan heißen könnte...oder vielleicht 2021? Da wäre dann noch zu überlegen, wie man vielleicht die Trasse Kopenhagen-Barcelona oder Kiew-Manchester plant. Aber nur mal so nebenbei...für die lahmen Säcke, die ihr als sogenannte Fans habt, da reicht doch wirklich auch ein Sackbahnhof, oder???

Meine lustigen „Oben bleiben – FC St. Pauli“ Buttons fanden auf jeden Fall reichlichen Zuspruch – die Button Industrie hat in Stuttgart momentan ohnehin reichlich zu tun. Sogar einen „Stuttgart 18 – oben bleiben“ (18 = Tabellenplatz des VfB vor dem Spiel) Button gibt es in zwischen. Naja, hat ja vielleicht geholfen.

Jedenfalls durften wir durch halb Untertürkheim marschieren, um zu unserem Block zu kommen, was meinen Marsch denn noch verlängerte. Wenn ich denn dem Verein für Bahnhofsbau irgendein Lob zollen möchte, dann dass das zum einen kein Sicherheitsspiel war, denn Dinkelacker ohne Alkohol ist noch schlimmer als die Plörre ohnehin, und zum anderen, dass der Einzug ins Stadion relativ zügig vonstatten ging.

Hufeisenarena – 17:00

Tja, das war’s dann...der unspektakuläre Marsch auf das Neckarstadion (oder wie heißt die Schüssel inzwischen?)...unspektakulär wie auch das Spiel; wie auch beim Marsch, ob vorher oder nachher, wir waren besser, lauter, schöner sowieso. Die Anhänger der Bahnhofsbauer können eh nix anderes als VAUEFFBEH oder STUDDGADD..oder...super originell: VAUEFFBEESTUTTGAAADDD. Hat irgendjemand im Fernsehen die Stuttgarter gehört??? Wie sagte der Sky-Kommentator: „Die Stimmung hier ist nicht überragend; die Stuttgarter trauen dem Braten noch nicht so recht“ – nein, so ist das hier immer. Zu Beginn der 2. Halbzeit ist das Stadion noch halbleer, weil alle noch bei ihren Schnittchen sind. Die Niederlage war an sich unnötig wie ein Kropf...vielleicht war die Hufeisensituation etwas zu viel für unsere Jungs, zwei Halbzeiten lang auf die leere Kurve zu spielen. Na gut...so endet denn mein Schwabenland-Aufenthalt mit einer Niederlage für den magischen FC. Das Auswärtsspiel gegen Schlacke 04 wird mein Abschied aus der Sakristei sein. Ach ja...für den Klassenerhalt muss ich mir vielleicht noch was Neues einfallen lassen; vielleicht reicht da ja ein Marsch zur Mülle.




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Montag, 18. Oktober 2010

Linke Spießer

Drei Wochen war mein Rechner krank,
jetzt läuft er wieder – Gott sei Dank!

Und somit habe ich pünktlich zum ersten Heimsieg der Saison endlich mal wieder das zweifelhafte Vergnügen, euch mit meinem obskuren Gedanken zu belästigen.

Um ehrlich zu sein, nervte das Gefasel um die angebliche Heimschwäche ja auch langsam. Denn betrachtet man sich mal unsere bisherigen Gegner, ganz unabhängig von der Tatsache, ob zu Hause oder in der Fremde gespielt wurde, so haben wir mit Ausnahme der Domstädter alle Teams geschlagen, die ich vor der Saison unten erwartet hätte. Andersherum fuhren wir sämtliche Niederlagen gegen Mannschaften ein, mit denen im Vorwege im oberen Tabellendrittel zu rechnen war. Aber auch ohne mir dieser schlüssigen Argumentation wegen selbst auf die Schulter klopfen zu wollen, frage ich mich, ob ich es mir an dieser Stelle vielleicht nicht doch etwas zu leicht mache.

Seit dem Neubau der Haupttribüne habe ich den Eindruck, dass das Millerntor seinen einst gefürchteten Festungscharakter zunehmend verliert. Beim Spiel gegen Dortmund knuffte mir mein Kumpel Marko zum Wiederanpfiff der zweiten Halbzeit in die Seite: „Ey Olli, was ist denn eigentlich da drüben los? Das geht ja gar nicht!“ In der Tat fragte ich mich beim Blick in die untergehende Sonne, ob das Klientel auf den schicken Business-Seats der neuen Tribüne vielleicht gerade die Ultras kopierte und eine Blockade durchzog, um auf die Rechte und Interessen der elitären Schicht aufmerksam zu machen. Habe ich da irgendetwas verpasst? Eventuell kann mich da ja mal jemand aufklären, denn gestern sah es zum Anstoß der zweiten 45 Minuten kaum besser aus. Auch wenn sich normalerweise Wortspiele mit Namen selbst verbieten, aber die Bänke waren wie leer gefegt. Mittlerweile sonnen sich die Prominenten aus Politik und Wirtschaft im Glanze unseres Klubs und tun so, als seien sie schon immer dabei gewesen. Aber die, die wirklich seit Ewigkeiten dabei sind und die Kultur der alten Haupttribüne geprägt haben, werden an den Rand verdrängt.

Irgendwie kann ich mich nicht dagegen wehren, aber mich erinnert das ganze doch sehr stark an die stadtpolitische Entwicklung im Stadtteil. Die alteingesessenen Bewohner werden systematisch vertrieben und stattdessen wundert man sich, dass ganze frischsanierte Häuser leer stehen, bloß, weil ein Vermieter den lächerlichen Spottpreis von 1600,-€ Kaltmiete verlangt. Schön, dass da gestern mal wieder ein Zeichen gesetzt wurde und ein entsprechendes Haus in der Juliusstraße besetzt wurde. Wenn es nicht so bitter wäre, könnte man schon wieder drüber lachen, wie dilettantisch unsere Freunde von der Exekutive anschließend versuchten, sich Zutritt zu verschaffen. Wofür ein halbwegs talentierter Feuerwehr- oder Zimmermann mit der Kettensäge fünf Minuten gebraucht hätte, mühten sich die Experten der Staatsmacht eine geschlagene Dreiviertelstunde ab. Die Spuren des geballten Unvermögens möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Kettensägenmassaker
Derweil feiern sich die grünen Steigbügelhalter aufgrund der großen politischen Erfolge dieser Legislaturperiode selbst. Und zwar auch auf den Businessplätzen und in den Séparées unseres Stadions. Was aber meinen die eigentlich genau, wenn sie davon sprechen, was sie alles erreicht haben?

Moorburg? Elbvertiefung? Stadtbahn? Primarschule? Citymaut?

Und dann wundern sie sich noch, wenn ihnen mal in der Kneipe ein Bier verwehrt wird, dabei bräuchte man doch dringend etwas zum Nachspülen, wenn man soviele Kröten schluckt. Persönlich kann ich da nur noch mit dem Kopfschütteln und muss feststellen, dass das einzige, was die Grünen erreicht haben ist, dass sie für mich auf Jahre hinaus in Hamburg nicht mehr wählbar sind.

Ihr seid nichts als…




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Donnerstag, 23. September 2010

Englische Woche

Gastartikel von OTT-Westkorrespondent Hinz

Puh, endlich ist sie vorbei! Sie bedeutet ordentlich Stress: lange Autofahrten, reichlich Bierkonsum, heisere Stimme - und daheim schaut die Partnerin auch nicht gerade glücklich drein. Ach, und die eigenen Kinder tauscht man vorrübergehend gegen elf junge Fußballer in braunen Jerseys ein. Es war englische Woche.

Doch die Tendenz kann sich sehen lassen: Nach der überflüssigen Pleite in Köln und der verpassten Chance zur Unsterblichkeit gegen unsere Freunde aus Stellingen gab's in Gladbach den verdienten Dreier. Wie schön – nahm der Abend doch zwischenzeitlich einen ganz anderen Verlauf.

Die tiefe Verunsicherung der Gladbacher spürten ich und die anderen Braun-Weißen schon auf der Hinfahrt. "Der Frontzek muss weg" oder "So steigen wir ab" waren die häufigsten Wortwechsel in der Regionalbahn auf dem Weg zum Borussen-Park. Und das einzige, was die Fohlen-Fans erwarteten, war der bedingungslose Kampf ihrer Mannschaft - bei offenem Spielausgang.

Nur der erste Punkt bewahrheitete sich allerdings - bis wir mit unserer Querpassstrategie Mitte der ersten Halbzeit die Gladbacher versuchten aufzubauen. Plötzlich waren wir auf der Verliererstraße, aber das habt ihr ja gesehen. Zum Glück haben wir den Sportkameraden Gerald Asamoah, der dem Treiben mit seinem Abstauber ein Ende setzte. Die Stimmung passte, und die Gesichter der Gegner wurden immer länger.


Und so hatte die englische Woche doch ihr gutes Ende - mal abgesehen von der Rückfahrtorgie unterwegs im falschen Shuttlebus rund um Mönchengladbach - und damit steigt auch schon jetzt wieder die Vorfreude auf die kommende.




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