Montag, 15. November 2010

Support ist Interaktion

Mindestens drei umstrittene Szenen in den letzten zehn Minuten, die Diskussionen um einen möglichen Strafstoß entfachten, ein Ball der beim Stande von 0-0 in der 69. Spielminute an den Pfosten klatscht, ich könnte mich maßlos über das Spiel am Sonnabend ärgern! Tue ich aber nicht. Warum das so ist? Nun bevor ich hier ellenlang aushole, lest einfach mal die Auszüge der bislang schlechtesten ersten Hälfte des Live-Tickers der Mopo, den ich an dieser Stelle ausnahmsweise mal zitiere, ganz einfach, weil es auf die Schnelle der Einzige war, den ich nachträglich gefunden habe. Da Ticker prinzipiell aber alle gleich funktionieren, nämlich spontan und chronistisch, spielt es keine Rolle, woher er stammt.
1. Minute: Erster Angriffsversuch der Gäste. Barnetta flankt aus dem Halbfeld in den leeren 16er.

8. Minute:Sam zieht in den Strafraum und zieht ab. Überweg.

15. Minute: Gefahr für das Tor von Kessler. Barnettas Freistoß findet Friedrich. Aus wenigen Metern setzt der Innenverteiger den Ball am Tor vorbei.

19. Minute: Barnetta mit Fernschuss! Aus der Drehung setzt der Schweizer den Ball knapp über die Latte. Kessler wäre aber mit der Hand dagewesen!

27. Minute: Da blitzte mal kurz eine Idee auf. Asamoah verliert den Ball im Mittelfeld, Rolfes marschiert zentral und versucht mit einem Lupfer Barnetta im Strafraum anzuspielen - Kessler ist da und stört den Leverkusener! Gut mitgespielt vom Keeper!

30. Minute:Oha! Thorandt mit Aussetzer am eigenen Strafraum gegen Helmes. Nur mit vereinten Kräften kann die Abwehr Schlimmeres verhindern.

31. Minute: Leverkusen dreht nun auf. Sam geht allein auf's Tor zu, ist schneller als Thorandt... und findet in Kessler seinen Meister. Eckball.

35. Minute: Leverkusen wird immer gefährlicher. Kadlec legt im Strafraum quer - einzig Zambrano verhindert Schlimmeres.

36. Minute: "Einfach mal rauf" muss sich Helmes da gedacht haben und setzte den Freistoß hart und herzlich über die Latte.

37. Minute: Der direkte Gegenzug: Oczipka ist aufgerückt, die linke Abwehrseite frei und Sam hat Platz. Aus 17 Metern gönnt sich der Angreifer mal einen Schussversuch - wie ein Strich über die Latte.

39. Minute: Autsch! Barnetta bringt den Freistoß rein, St. Pauli spielt auf Abseits. Stefan Reinartz springt mit gestrecktem Bein in den Ball und trifft vor Allem Kessler. Gelb für den Leverkusener, der zum Glück im letzten Moment noch zurückzog.

41. Minute: Nächster Torschuss der Werkself. Kessler hält gegen Barnetta. Der Schweizer dreht mehr und mehr auf. Thomas Kessler zum Glück ebenso!

45. Minute: Barnetta wird von Zambrano im Strafraum zu Fall gebracht. Zum Glück war die Berühung zu leicht und es gibt keinen Elfmeter.
Somit denke ich, dass mir wohl jeder Recht zollt, wenn ich behaupte, mit einem 0-4 zur Halbzeit wären wir mehr als gut bedient gewesen. Deshalb muss man eigentlich noch dankbar sein, dass die anfangs geschilderten Szenen überhaupt noch zu solch einer Spannung in der Schlussphase führten.

Demzufolge war es auch mehr als logisch, dass die Stimmung nach fünf Minuten in der ersten Halbzeit rapide abnahm. Da hatte ich einen richtigen Hals, das werden alle Leute, die um mich herumstanden wahrlich bestätigen können. Einige Male war ich gar kurz davor ein lautes „Aufwachen! Aufwachen!“ zu intonieren. Aber was verkneift man sich nicht alles, nur um der lebende Trainerlegende nicht eventuell auf die Nerven zu fallen. Deshalb empfand ich die abgewandelte Variante „Aufessen! Aufessen!“ zur Begrüßung der zweiten Hälfte der Haupttribüne dann als sachte Ironie des Schicksals. Aber über dieses Thema habe ich mich ja schon hinreichend geäußert.

Und täglich grüßt das Murmeltier…
Foto: Stefan Groenfeld
Mit Beginn der zweiten Hälfte, leere Westtribüne hin oder her, trat dann aber überaschenderweise eine ganz andere braun-weiße Mannschaft auf den heiligen Rasen. Gut, der Ball lief immer noch nicht wie am viel zitierten Schnürchen, so wie man es aus der letzten Saison oder auch den ersten Spielen dieser Spielzeit gewohnt war. Woran dies liegt sollen aber andere herausfinden und gegebenenfalls schleunigst beheben. Aber wenigstens war der Wille erkennbar. Die Zweikämpfe wurden angenommen und dadurch ergab sich dann eben auch die ein oder andere Chance wie eben Asas Aluminiumtreffer. Und plötzlich wurde auch die Unterstützung von den Rängen schlagartig besser. Genau deshalb halte ich die von USP in der letzten Ausgabe der „Südkurve“ entfachte Diskussion, ob der Funke nun von den Rängen auf das Feld oder umgekehrt überspringen muss, für ausgemachten Quatsch. Vielmehr sehe ich das Ganze als Interaktion. Das Publikum am Millerntor verfügt nämlich über ein sehr sicheres Gespür dafür, ob die Mannschaft gerade Unterstützung nötig hat. Es bedarf lediglich der entsprechenden Signale auf dem Platz. Wenn diese nicht kommen und die Zuschauer das Gefühl haben, dass da elf blutleere Akteure ihren Stiefel runter spielen, dann verlieren Einige vielleicht auch mal die Partylaune.

Jetzt hoffe ich, dass sich alle mal am Riemen reißen und wir das Ding gegen Volkswagen Wolfsburg endlich mal wieder fertig machen. Alle gemeinsam – von der ersten bis zur letzten Minute – auf dem Platz und auf den Tribünen!



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Samstag, 6. November 2010

Mit dem Bus ins Tollhaus

Seit einer wahren Ewigkeit war ich am Freitag das erstemal wieder mit dem Bus unterwegs auf Auswärtstour. Da ich erst relativ pünktlich da erschien, wo früher das alte Clubheim stand, aber heute immer noch die Busse des Fanladens abfahren, machten sich bei meiner kleinen Bezugsgruppe Bedenken breit, ob wir denn noch drei zusammenhängende Plätze ergattern würden. Wer aber regelmäßig einen kühlen Kopf bewahrt, der wird feststellen, dass sich die meisten Probleme von selbst erledigen. So war es auch diesmal. Wie von Zauberhand eröffneten sich beim Einsteigen vor uns drei jungfräuliche Sitze in der ersten Reihe und wir durften bequem direkt neben dem Reiseleiter des Fanladens Platz nehmen. Nun muss ich gestehen, dass ich in Reisebussen normalerweise immer irgendwo in den hinteren Reihen anzutreffen bin. Diesmal saß ich also ganz vorne bei den Erwachsenen.

Kopfgeficke

Das war aber nicht minder interessant, gerade wenn man wie ich gerne empirische Feldstudien über die menschliche Interaktion führt. Diese scheint nämlich auf Busfahrten mit Fußballfans nach festgeschriebenen Regeln zu erfolgen. Da wären zum ersten unsere beiden Fahrer Cem und Joachim, wobei letzterer dieses Attribut eigentlich gar nicht verdient, denn Cem hat ihn weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt auch nur eine Sekunde ans Steuer gelassen. Beide haben sich aber offensichtlich rigoros auf die Fahnen geschrieben, unter gar keinen Umständen direkt mit dem Transportgut, sprich uns Fahrgästen, zu kommunizieren. Das lief dann ausnahmslos über das Medium, seines Zeichens Reiseleiter. Darüber hinaus verzichteten unsere zwei Kutscher vollends auf irgendwelche rhetorischen Schnörkel.

Als beispielsweise einige der Fahrgäste im Gang vor der Toilette warteten, deutete Joachim nur trocken mit dem Daumen nach hinten: „Hinsetzten!“ daraufhin ergriff das Medium das Mikro und forderte die Leute auf, doch bitte wieder Platz zu nehmen. Richtig spannend wurde es dann, als die erste CD mit St. Pauli-Songs durchgelaufen war. Cem dankte Gott, denn wäre es noch länger gegangen, hätte er nach eigener Aussage kotzen müssen. Stattdessen warf er seine eigene Techno-Auswahl in den Player. Ihr macht euch kein Bild, wie neugierig ich auf die Reaktion aus den hinteren Reihen war. Da musste ich dann aber nicht wirklich lang drauf warten, denn dies löste nun auf der anderen Seite spontane Übelkeit aus. Also kam jemand nach vorne, erklärte dem Medium die Sachlage und bat freundlich um andere Mucke. Angeblich wäre sogar Oldie 95(!) ok gewesen. Na, Leute nun mal keine falsche Bescheidenheit an den Tag gelegt, dachte ich noch, als Cem erwiderte: „Kein Problem, solange es bloß nicht wieder so ein Kopfgeficke ist!“ Blöd, dass der angebotene Tonträger aus Cems Sicht wieder Kopfgeficke beinhaltete und er die anschließenden „Lauter, lauter!“-Rufe einfach ignorierte. Mensch Leute, habt ihr denn gar nichts gerallt? Ihr müsst ans Medium ran!

In diesem Stil ging’s dann weiter bis nach Schalke, wobei sich die Stimmung nicht wirklich schlecht aber in jedem Fall sehr interessant entwickelte. Mir hat es jedenfalls einen Heidenspaß bereitet, Cem und seinen Beisitzer zu belauschen, wie knallhart sie sich auf der letzten Rainbow-Tour nach Rimini gegenüber Medium und Fracht durchgesetzt haben.

Wie auch immer, gut zwei Stunden vor dem Anpfiff kamen wir dann auf Schalke an. Wer noch nicht dort war, dem sei gesagt, dass er sich auch guten Gewissens nach Stellingen begeben kann. Denn da sieht’s kein Stück anders aus. Weitläufige Riesen-Parkplätze um die hellerleuchtete Arena herum – das war’s! Was also sollten wir mit unserer Zeit anfangen? In der Erwartung, dass vielleicht noch irgendwas passieren könnte, standen wir noch eine halbe Stunde vor dem Gästeeingang im Regen herum. Wahrscheinlich werde ich euch nicht überraschen, wenn ich offenbare, dass sich natürlich nichts Erwähnenswertes mehr abspielte. Also rein.

Auf Schalke ist übrigens nicht nur der Stadionname an einen zahlungskräftigen Sponsor verramscht worden, sondern jede einzelne Tribüne. Wir befanden uns beispielsweise in der Veltins-Arena auf der Erdgas-Tribüne, Block VW. Klasse!

Niederer Sing Sang

Zum Spiel will ich gar nicht viel schreiben. Es zieht sich halt durch, dass wir uns hervorragend als Aufbaugegner für angeschlagene Teams eignen. Ist nicht wirklich was Neues. Und auch, wenn wir in der einen oder anderen Situation (mal wieder) ein wenig Pech hatten, so sind zweieinhalb gut vorgetragene Angriffe über 90 Minuten einfach zu wenig. Null Punkte und 1:8 Tore aus den letzten drei Spielen sprechen eben auch eine klare Sprache. Jetzt weiß wenigstens jeder, worum es in dieser Saison geht, und die Träumereien von was weiß ich was hören endlich auf.

Spätestens nach dem 0:2 hatte ich dann auch endgültig das Bedürfnis, meine Schnauze zu halten. In diesem winzigen Tortenstück, das als Gästeblock fungiert, wird man in dieser ultramodernen, sterilen Halle sowieso nicht wahrgenommen. Zumal an Fanutensilien vom Konfetti über Tapeten, Blockfahnen und Doppelhalter wirklich alles verboten war. Selbst ein durchgestrichenes Marihuanablatt gab’s am Einlass zu bestaunen. Echte Partybremsen sind das im Revier!

Offensichtlich ging es aber nicht allen so wie mir. Die Ultras sangen tapfer und schwenkten durchgängig bis zum bitteren Ende ihre Fähnchen. Kann ja jeder machen wie er will, meine Stimmungslage traf es diesmal nicht. Den Typen vor mir kann ich aber genauso wenig verstehen. Nur zu pöbeln und zu kritisieren, USP sänge alles andere nieder, ist mindestens genauso großer Schwachsinn. Denn da muss man sich dann doch die Frage gefallen lassen, was denn da nun angeblich niedergesungen wurde. Jedenfalls habe ich nicht mal im Ansatz irgendetwas wahrgenommen, was man da hätte niedersingen können – selbst wenn man gewollt hätte.

Aber bevor ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe, möchte ich euch einfach das folgende Video anbieten. So in etwa bleibt das Tollhaus Schalke bei mir hängen. Stellt euch einfach das Dach noch geschlossen vor, die Atmosphäre trifft es sehr gut. Und die Mucke ist ganz bestimmt nach Cems Geschmack. Herrlich verrückt!





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Sonntag, 31. Oktober 2010

Video ergo sum

(Ich sehe, also bin ich)

Hola! Das ging ja am Sonnabend los wie die Feuerwehr. Was für einen Klasseauftritt lieferte unsere Mannschaft in der ersten Hälfte ab? Dazu wurde das mutige Spiel mit einer frühen Führung belohnt und das verlieh unseren Jungs zusätzliche Sicherheit. Und auch Schiedsrichter Fritz lieferte anfangs eine Superleistung ab. Er ließ hüben wie drüben sehr viel laufen, was dem Spielfluss extrem gut tat. Ein weiterer Vorteil für uns, denn gespielt hat am Sonnabend nur eine Mannschaft. Die Eintracht brauchte sage und schreibe bis zur 60. (!) Minute, um das erste Mal aus dem Spiel heraus auf unser Tor zu schießen. Aber leider war zu diesem Zeitpunkt schon alles gelaufen, denn der gute Herr Fritz verlor bereits fünf Minuten vor der Halbzeit aus für mich völlig unerklärlichen Gründen seine bis dato gute, weil unauffällige Linie und schenkte den Frankfurtern mit einem lächerlichen Elfmeter den Ausgleich. Spätestens kurz nach dem Wiederanpfiff, als Asamoah seine mehr als umstrittene Ampelkarte sah – die erste Gelbe bekam er, weil er sich über den Elfer echauffierte - war das Thema dann endgültig gelaufen.

Somit steht heute das mit Abstand schwächste Team, das bisher am Millerntor gastierte, auf einem unglaublichen fünften Tabellenplatz. Noch weiter nach oben hat es die Eintracht, die lediglich durch überragende Theatralik glänzte, allerdings in meiner persönlichen Rangliste der Mannschaften geschafft, denen ich das Schwarze unter meinen Nägeln am allerwenigsten gönne.

Nachdem also der Unparteiische die Partie nach knapp 50 Spielminuten zu unseren Ungunsten entschieden hatte, stellt sich natürlich die Frage, wie man so einem desaströsen Auftritt begegnen soll. Nach dem Spiel das Dreigespann mit Bierbechern einzudecken ist eine Möglichkeit, die ich zwar nachvollziehen kann, persönlich aber doch für relativ unsexy halte. Was mich einfach ärgert ist die Tatsache, der Willkür eines Mannes ausgesetzt zu sein, der zweifelsohne einen der schwärzesten Tage in seinem Schiedsrichterleben erwischt zu haben. Da ich aber nach wie vor zuallererst an das Gute im Menschen glaube, möchte ich Marco Fritz mal keine Absicht unterstellen. Wie beschissen sich der Mann fühlen muss, kann man wahrscheinlich nur nachvollziehen, wenn man sich in einem ruhigen Moment mal die Dokumentation “Referees at work“ zu Gemüte führt. Das alles ändert aber natürlich nichts an der Tatsache, dass sich über 20.000 Fans im Stadion komplett betrogen fühlen, weil das Spiel bereits kurz nach der Halbzeit entschieden ist. Wenn ich hier jetzt erzähle, dass die Fans den Verantwortlichen bei DFB, UEFA und FIFA scheißegal sind, dann verkünde ich wohl nichts Neues. Wenn aber die zahlende Fernsehkundschaft bereits zur Pause abschaltet, dann fangen vielleicht auch die Funktionäre bald an nachzudenken. Denn so gibt die Kuh irgendwann keine Milch mehr.

Deshalb gibt es meinen dringenden Apell, endlich auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen. Sei es der Chip im Schienbeinschützer, sei es der Videobeweis.

All den Kritikern, die behaupten der Videobeweis würde den Spielfluss unterbrechen, kann ich nur die Regelung beim Hockey entgegenhalten. Hier darf jede Mannschaft einmal pro Halbzeit den visuellen Beweis zu Rate zu ziehen. Ganz ehrlich, um so einen Dreck wie gestern nicht mehr erleben zu müssen, würde ich bei Fernsehübertragungen sogar die zwei zusätzlichen Werbespots pro Halbzeit in Kauf nehmen. Und auch alle Schiedsrichter, die trotz solch katastrophaler Fehlentscheidungen im Anschluss ruhig schlafen könnten, würden sehr dankbar sein.

Zum gemeinschaftlichen Abkotzen kommen hier nochmal die „Highlights“ des 10. Spieltages am Millerntor:




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