Dienstag, 18. Januar 2011

Das war „St. Pauli-Like“

Es ist ja nun leider Gottes so, dass der Gemütszustand eines Fußballanhängers elementar mit dem Erfolg der Mannschaft zusammenhängt. Das ist bei mir selbstredend nicht anders, sonst wäre ich Hobbypolitiker und kein Fußballfan. So wirkt der doppelte und mehr als ärgerliche Punktverlust vom Sonnabend auch noch deutlich nach.

Aber so schwierig es auch ist, ich versuche jetzt einfach mal, das Sportliche auszuklammern. Und das, was dann übrig bleibt, ist einfach nur fantastisch. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas jemals mal in einem Fußballstadion erlebt zu haben.

Rot ist die Liebe!
Foto: Stefan Groenfeld
Na klar habe ich mit einem imposanten Protest, vielen roten Fahnen und kreativen Spruchbändern gerechnet, aber diese Ent- und vor allem Geschlossenheit war überwältigend. Rot, wohin das Auge blickte! Das werde ich so schnell nicht vergessen, und es erfüllt mich mit Stolz und Hoffnung, ein Teil dieser Fanszene zu sein. Dabei, so denke ich, ist wohl auch dem Letzten klar geworden, dass sich mehr Leute um Entwicklung des Vereins sorgen, als zehn Leute, die sich via Email über die LED-Banner echauffieren und es sind auch mehr als 4.000 Mitglieder der anonymen Masse im Internet. Es waren über 20.000, die rote Flagge gezeigt haben.

Angeblich lief’s dem Präsidium derart heiß und kalt über den Rücken, dass es bereits in der Pause die erste Krisensitzung einberief. Warum das so ist, kann ich allerdings genauso wenig nachvollziehen, wie die Befürchtungen vor dem Spiel, dass die Unterstützung der Mannschaft unter dem Protest leiden könne.

Deshalb erkläre ich es nochmal. Es geht uns beim Fußball darum, den Emotionen freien Lauf zu lassen. Wir wollen leiden, wir wollen hoffen, wir wollen schreien, wir wollen hadern, wir wollen jubeln, wir wollen weinen. Wo sonst noch können wir unsere elementaren Gefühle so befreit ausleben, wenn nicht im Stadion? Und das wollen wir gemeinsam tun.

Sonnabend haben wir eindrucksvoll demonstriert, wie wir uns den Fußball wünschen. Ehrlich und direkt und eben frei von der ganze Kacke drum herum. Ein Stimmungsboykott wäre da vollkommen kontraproduktiv gewesen und hätte allenfalls gezeigt, was passierte, würden wir uns dieser Politik wehrlos ergeben.

Somit ist das erste Etappenziel mehr als erreicht. Die Vertreter des Vereins bei den morgigen Gesprächen, wissen jetzt, worum es geht und mit wem sie es zu tun haben – nämlich mit uns allen!

Damit besteht endlich eine gesunde Basis für die weiteren Gespräche, bei denen nun auf Augenhöhe und, wie ich hoffe, mit einer gewissen Gelassenheit die einzelnen Kritikpunkte abgearbeitet werden können. Das nenne ich „St. Pauli-Like“!


Wenn ich euch jetzt noch erzähle, dass ich wegen des Regens nicht auf der Demo war, dann beschimpfen mich wahrscheinlich viele als Schönwetterprotestierer. Also formuliere ich es einmal anders. Das Wetter hat mich animiert, über die Sinnhaftigkeit der Demo nachzudenken. Denn, wie ich oben beschrieben habe, ist der Zweck der Proteste vorläufig mehr als erreicht. Erst, wenn die morgigen Gespräche in einer Sackgasse münden und die angebotenen Kompromisse nicht akzeptabel sind, sollten wir über weitere Maßnahmen nachdenken und zeigen, dass wir noch einiges mehr in petto haben. Dann wäre eine Demo nach dem Spiel gegen Köln ein möglicher, nächster Schritt. Übrigens demonstriert es sich bei trocknen Witterungsverhältnissen mit einem Sieg im Rücken noch ‘ne Spur enthusiastischer.



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