Donnerstag, 9. Juli 2009

Angriff auf das Jolly Roger

Kurz und fast kommentarlos. Im folgenden Video gibt es die ersten bewegten Bilder vom Angriff auf das Jolly Roger, bei dem der freie Journalist Sven Klein in der Nacht zum Sonntag vier Zähne einbüßte.


Quelle: STPAULI-FORUM.DE
Wenigstens stellt sich diesmal der Verein hinter seine Fans. Dafür gibt’s heute von mir ein wirklich aufrichtiges:

“Danke Corny!“

Wen nur die Vorfälle vorm Jolly interessieren, der sollte drei Minuten vorspulen!







Nachtrag zur Demo vom 10/07/2009



Innerhalb von so kurzer Zeit 2000-2500 Leute zur Demo zu mobilisieren war beeindruckend.


Im Rahmen meiner Recherche landete ich irgendwann auch im HSV-Forum.
Wie erwartet, tummeln sich dort einige wirklich hochgeBILDete Leute. Mein Besuch zeigte mir aber einmal mehr, dass eben nicht alle HSVer doof sind. Laut der Diskussion dort, waren am Freitag wohl auch um die 50 Blaue auf der Demo.

Dafür gibt’s meinen uneingeschränkten Respekt und ein riesengroßes Dankeschön für Eure Solidarität!

Quelle: fbs-gaming.de


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Montag, 6. Juli 2009

Mehr…?
…nicht!

Außer ein paar wenig aussagekräftiger Testspiele, der Tatsache, dass wir in der ersten Pokalrunde gegen einen Fünftligisten ran müssen und dass der noch nicht genau terminierte Spielplan endlich raus ist, ist die Meldung über die Verpflichtung von Deniz Naki wohl die wichtigste sportliche Nachricht der letzten Tage.

Mehr…?
…nicht!

Da aber wohl nirgendwo sonst in der Republik ein Verein so eng mit der eigenen Herkunft verwoben ist, will ich mich heute einem Thema annehmen, dass mich in den vergangenen Tagen viel intensiver beschäftigt hat, als der Fußball und welches St. Pauli im Ganzen und das Schanzenviertel im Besonderen betrifft.
Am Sonnabend jährte sich das selbstbestimmte Schanzenfest zum 21-mal.

Nicht erst an diesem Nachmittag, als ich das bunte Treiben und die ausgelassene Stimmung auf dem Flohmarkt genoss, stellte sich mir die Frage, warum es eigentlich einer behördlichen Genehmigung bedarf, wenn Anwohner in Eigenregie und friedlicher Absicht ein unkommerzielles Straßenfest organisieren wollen. Zeigt dies nicht lediglich, dass sich die Menschen für ihr Viertel interessieren und überdies auch noch bereit sind, sich aktiv für die eigene Lebensqualität einzusetzen? Ist dieses Engagement nicht vielmehr wünschenswert oder gar förderungswürdig?
Nun, ganz offensichtlich sehen das nicht Alle so.

Das Schulterblatt um zehn vor Zwei

Die Message ist klar!
Mehr…?
…nicht!

Später, am frühen Abend, teilte ich mit vielleicht 400 Gleichgesinnten die entspannte Atmosphäre im Flora-Park. Zu elektronischer Musik tanzte sich die ausgelassene Menge in Trance. Über der ganzen Szenerie waberte eine schwere, nach Marihuana duftende Wolke. Umso grotesker mutete es an, als plötzlich, aber nicht eben unerwartet, die Exekutive auf der Bildfläche auftauchte und wie Westernhagens „Stinker“ über die angrenzende Hecke luscherte.

Die ausgelassene Party

Die Staatsmacht sorgt für Unruhe
Kurze Zeit später, es muss mittlerweile Zehn gewesen sein, vernahm ich die ersten Böllerexplosionen aus Richtung Schulterblatt. Das war dann wohl das finale Zeichen für die Ordnungshüter auch der bis hierhin absolut friedlichen Party ein jähes Ende zu setzen.

Was sich im Anschluss abspielte, soll das folgende Video einmal repräsentativ darstellen. Ich möchte euer Hauptaugenmerk auf die drei Typen lenken, die es ohne jede Gewalt fertigbringen, einen Wasserwerfer aufzuhalten.

An dieser Stelle stand ursprünglich ein Video, dass drei Typen mit heruntergelassenen Hosen zeigte, die sich vor einen anrückenden Wasserwerfer gelegt hatten. Der erste fing gleich mit dem Onanieren an. Tja, das ist dann wohl der Zensur zum Opfer gefallen…

Man kann diese Art des Widerstandes geschmacklos finden, dreierlei ist sie indes ohne jede Diskussion:

Kreativ - Couragiert - Gewaltfrei!

Mehr…?
…nicht!


Alternativ möchte ich euch den diesen Film nicht vorenthalten:


Im Nachfolgenden beobachtete ich die mittlerweile elanvoll auf dem Schulterblatt eingesetzten Wasserwerfer aus der Juliusstraße heraus. Als dann hastig die „Black Unit“ (schwarzer Anzug, schwarzer Helm) auf mich zustürmte, wurde die Lage zusehends unübersichtlicher, und ich fand mich kurzerhand hinter einer Polizeikette wieder. Während ich mich entschloss, ein kleines Erinnerungsfoto zu schießen, ertönte es um mich herum aus vielen Kehlen:

„Hass, Hass,
Hass wie noch nie
All cops are bastards
ACAB!“

Also befand ich mich gar nicht hinter der Einsatztruppe der Polizei, sondern sie lag vielmehr zwischen zwei autonomen Linien!

An der Ecke Lippmannstraße / Juliusstraße
landet eine Leuchtrakete im Staatsmob
Letztlich bleibt nüchtern festzuhalten, dass an diesem Abend eine wohl nicht unerhebliche Zahl von Gewalttouristen auf den Straßen unterwegs war.

Obwohl ich diese Art der Auseinandersetzungen aus den vergangenen Jahren kenne, muss ich zugeben, dass mich die Heftigkeit in diesem Jahr schon erschreckt hat.

Allerdings ließ sich auch die Polizei nicht lumpen. Mit welch drakonischer Brutalität die Beamten antworteten, zeigt das nächste Szenario.

Gegen Elf schlenderte ich die Max-Brauer-Allee in Richtung Schulterblatt hinunter, als ich unvermittelt Zeuge einer Festnahme wurde. Drei vollausgerüstete Gesetzeshüter drückten das Gesicht eines Mannes, so um die Mitte zwanzig, mit unvorstellbarer Rücksichtslosigkeit auf den Asphalt. Dabei legten sie ihm brutal Handschellen an. Offensichtlich verletzten die Beamten dabei sein linkes Handgelenk.

Noch nie zuvor habe ich einen Menschen vor Schmerz so schreien gehört!

Aber auch nachdem der Verhaftete in die bereitstehende „Wanne“ verfrachtet worden war, machte niemand Anstalten, seine Handfesseln zu lockern. Selbst aus dem geschlossenen Fahrzeug waren die Schmerzensschreie noch deutlich hörbar. Erst nach schier endlosen Minuten, ein Staatsdiener streifte sich erstmal aufreizend langsam seine grauen Glattlederhandschuhe über, wurde der Mann aus dem Sichtfeld der Umherstehenden auf den Boden des Autos geleitet. Wiederum von zwei weiteren Schergen gesichert, wurden die Fesseln nun endlich ein wenig gelockert. Ein ganz junger Beamter war angesichts der vielen Zeugen augenfällig nervös.
Noch paralysiert vom eben Erlebten, schämte ich mich, nicht den Mut aufgebracht zu haben, die Szene auf Video festzuhalten. Da nahm ich in meinem Rücken diffuses Gelächter wahr. Als ich mich langsam der "bar rossi" zuwandte, saß da doch tatsächlich das fröhliche Partyvolk und amüsierte sich bei bunten Cocktails. Den Protest, wessen Ursprung nicht zuletzt in ihrer Anwesenheit begründet liegt, nahm die Gute-Laune-Gesellschaft bestenfalls als schmückendes Beiwerk hin.

Mehr…?
…nicht!

Dazu möchte ich erwähnen, dass ich nicht schon immer in Schanzennähe gewohnt habe, und auch ich bin vor zwanzig Jahren mit meinen Freunden am Wochenende zum Feiern hierher gefahren. Allerdings wurde damals das Viertel noch nicht derart von hippen Läden überschwemmt. Die paar Etablissements konnte der Stadtteil sehr gut vertragen. Es gab seinerzeit das "Pickenpack", das "Stairways" und das "Kir". Und wer schick feiern wollte, der ging meinetwegen noch ins "Trinity".

Mehr…?
…nicht!

Was sich hingegen heute abspielt, ist des Guten zu viel. Alles was das Leben für die Anwohner angenehm gestaltet, verschwindet nach und nach. Dabei steigen die Mieten ins Unerschwingliche und das, was die Schanze so unverwechselbar macht, wird systematisch eliminiert.
Und damit bin ich wieder bei meiner Frage vom Sonnabendnachmittag angelangt. Muss denn eigentlich Alles behördlich genehmigt werden und warum gibt es in dieser Stadt offensichtlich keinen Raum für ein selbstbestimmtes Leben?
Ob ein runder Tisch eine Lösung offenbaren würde, bleibt zweifelhaft. Denn schließlich hat eine alternative Lebensanschauung in attraktiver und zentraler Lage keine Lobby. Hätten Gespräche den Wandel des Viertels zu stoppen, auch nur die kleinste Aussicht auf Erfolg? Was ist die Alternative? Permanente Anschläge auf alles Verhasste? Wem nützt das Alles? Wohin kommen wir, wenn niemand mehr miteinander spricht?
Eigentlich weiß es doch jeder, wenn der Dialog stirbt, gibt es keine Lösungen mehr. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Eine Beziehung scheitert, wenn sich die Partner nichts mehr zu sagen haben, Kriege brechen aus, wenn Staaten nicht mehr an den Verhandlungstisch finden.

Auf der Suche nach Antworten bat ich Peter Haß von der Buchhandlung im Schanzenviertel zum Gespräch.
Der Laden feierte in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Gar zwei Jahre länger lebt Peter bereits im Viertel. Er verfolgt sehr wachsam die Entwicklung des Viertels in den letzten Jahren.

Peter Haß (61) betreibt zusammen mit seiner Frau
seit 1979 die Buchhandlung im Schanzenviertel
Olli: Hallo Peter, wie beurteilst du die Vorkommnisse von Sonnabendnacht nachdem du einmal drüber geschlafen hast?

Peter: Also, ich muss sagen, dass ich in diesem Jahr ein anderes Gefühl hatte, als in den Jahren zuvor. Schon, was das Fest tagsüber anging, hatte ich das Gefühl, dass es sichtbar politischer war, es gab viele Transparente an den Häuserwänden oder auch quer über die Straße gespannt. So zum Beispiel in der Susannenstraße. Dort stand: „Wir wollen nicht, dass das hier zum Ballermann wird!“, an der 1000 Töpfe Baustelle stand: „Spekulanten verpisst euch!“. Dazu kam dann noch die Hausbesetzung, die vormittags in der Rosenhofstraße stattgefunden hat. Also viele politische Aktivitäten, die darauf hindeuten, dass man mit der Entwicklung im Viertel nicht zufrieden ist.

“Da kann man echt nur noch
mit dem Kopf schütteln“


Olli: Die Organisatoren des Schanzenfestes legen großen Wert auf die Selbstbestimmung und Eigenorganisation. Wo liegt das Problem, das Fest anzumelden und welche Konsequenzen hätte das?

Peter: Ich selber habe mal ein Straßenfest in der Bartelsstraße angemeldet. Was ich da an Bürokratie erlebt habe, hätte ich mir im Vorwege nie erträumen lassen. Und da habe ich dann hinterher auch gesagt, dass ich nie wieder im Leben ein Straßenfest anmelden werde. Erstmal wirst du für Alles verantwortlich gemacht, was auf diesem Fest passiert, ohne dass du eine Chance hast, das irgendwie selbst zu regulieren. Zweitens sind da echte Bürokraten am Werk. Bei dem Straßenfest wollten wir beispielsweise von Haus zu Haus ein Transparent spannen. Da wurde von uns verlangt, einen Statiker einzuschalten, um zu überprüfen, ob die Häuser dieser Belastung stand halten. Da kann man echt nur noch mit dem Kopf schütteln und fragen, was das dann noch soll? Zum Schanzenfest muss man allerdings zusätzlich sagen, dass es da auch noch andere Gründe gibt. Das hängt mit der Entwicklung der Roten Flora zusammen. Wenn man damals vor zwanzig Jahren durchgesetzt hätte, dieses riesige Musical, das heute am Holstenbahnhof ist, hier in der Schanze zu machen, dann hätte es wahrscheinlich schon da eine gewaltige Veränderung für das Viertels bedeutet. Durch die Besetzung der Roten Flora ist dann dieses alljährliche Fest entstanden. Das Ganze entwickelte dann von Jahr zu Jahr eine Art Eigendynamik und man hegte nie den Wunsch, sich damit an die Polizei oder die Behörden zu wenden.

Olli: Am Tag des Schanzenfestes hattet ihr vor eurem Laden ein Plakat mit dem Text „Wer lebt, stört.“ aufgehängt. Nun sollen beispielsweise in der Susannenstraße die Parkbuchten zugeschüttet werden, damit die Gastro noch mehr Platz für Bestuhlung hat. Die ganze Straße würde dann gewissermaßen zu einer einzigen Biermeile umstrukturiert. Ist das nicht gerade das pralle Leben?

Peter: Ja, also da wird gelebt, das kann man wohl schon so sagen. Das Problem ist nur, dass dort natürlich auch noch anders gelebt wird. Also von den Leuten, die da wohnen und eben teilweise auch Jobs haben, wo sie mal um Fünf oder halb Sechs aufstehen müssen. Dann gibt es da natürlich auch noch Familien mit kleinen Kindern. Wenn dann in den Sommermonaten bis morgens um Vier die Party abgeht, dann kommt nie die Polizei, um mal darauf zu achten, ob es irgendwie zu laut ist. Das passiert immer nur dann, wenn aus politischen Gründen ein Fest gefeiert wird und deshalb die Leute angeblich nicht schlafen können, dann ist plötzlich zu viel Lärm da. Aber der alltägliche Halli-Galli-Ballermann-Lärm wird ignoriert. Natürlich ist es toll, wenn man ausgeht und das Wetter ist schön. Dann habe ich auch Bock nachts lange noch draußen zu sitzen. Aber ich denke, solange es nur die Anwohner im Schanzenviertel waren, also ohne die ganzen Touristen, hielt sich das in Grenzen. Ich denke, wenn man selbst vor seiner Haustür sitzt und feiert, dann weiß man auch am Besten, wo Schluss ist. Das ist etwas ganz Anderes, als wenn da meist schon besoffen Horden auf Junggesellenabschied durch die Straßen ziehen.

Die Buchhandlung am Schulterblatt am Nachmittag
Olli: Mittlerweile verschwinden immer mehr nützliche Läden. Zuletzt musste beispielsweise "1000 Töpfe" die Segel streichen, um immer mehr Platz für trendige Boutiquen oder szenige Bars zu schaffen. Siehst du einen Weg, diesen Trend zu stoppen?

Peter: Es ist natürlich schwierig. Zum Einen läuft das Alles auf privater Ebene, also einen Vermieter daran zu hindern, mehr Miete zu nehmen, ist eine komplizierte Angelegenheit. Die Stadt hätte allerdings die Möglichkeit gehabt, die ganze Entwicklung zu stoppen, wenn sie per Gesetz Verordnungen erlassen hätte, die nicht den unbegrenzten Zuzug von Gastronomie zulassen. Oder, was die Wohnungen betrifft und was die Stadt jetzt angeblich in den nächsten anderthalb Jahren vor hat, in meinen Augen übrigens zehn Jahre zu spät, ist das Verbot Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Also die Stadt hätte schon die Möglichkeiten gehabt. Aber ich glaube, es ist eher umgekehrt, dass sich Schwarz-Grün sagt, im Rahmen der wachsenden und kreativen Stadt wollen wir die Gentrifizierung. Das heißt, man will ganz bewusst diesen Austausch, dass ärmere Anwohner gehen und dafür die sogenannten „Kreativen“, also einkommensstärkere Bewohner die innenstadtnahen Viertel neu besiedeln.

“Jeder Laden für sich genommen
trägt natürlich keine Schuld“


Olli: In den Medien hört man häufig von Klagen der Betreiber kleinerer Läden, dass deren Scheiben eingeworfen werden. Häufig wird der Szene Willkür vorgeworfen. Soweit ich mich erinnere, ist bei euch allerdings noch nie etwas zu Bruch gegangen. Ist denn jeder kleine Boutiquebesitzer Synonym der „Veryuppiesierung“?

Peter: Darüber kann man sich streiten. Jeder Laden für sich genommen trägt natürlich keine Schuld. Obwohl ich mich dann doch schon manchmal wundere. Denn ich weiß, warum die alten Läden rausgegangen sind. Nämlich weil sie die Mieten nicht mehr zahlen konnten. Wenn denn jetzt die Neuen plötzlich die horrenden Mieten zahlen können, dann kann das ja eigentlich nur angehen, weil sie einen unwahrscheinlichen Reibach machen. Ich habe auch nichts gegen einen Brillen-Designer, der am Schulterblatt neu aufgemacht hat. Allerdings habe ich schon etwas dagegen, wenn die Läden, die da vorher drin waren und durch die Bank weg nützlich waren, verschwinden und dafür kommen nur noch neue Läden, die für die Anwohner völlig uninteressant bis ärgerlich sind. Was ich meine ist, dass ich keine sieben Brillen-Designer brauche. Und ich brauche auch keine zehn Herrenausstatter, keine zwanzig Boutiquen und erst recht nicht die 85-ste Bar. Um das nochmal zusammenzufassen: Alles was nützlich war verschwindet, alles was neu kommt ist für die Anwohner ohne Nutzen. Und dann nochmal was zu den eingeworfenen Scheiben. Ich glaube, man muss da die Wut über die gesamte Entwicklung sehen. Wie gesagt, jeder Laden für sich trägt keine Schuld. Aber sieht man alles zusammengenommen, macht das wütend. Natürlich ist es jetzt schwer einen Schuldigen zu benennen. Ein Stück weit tragen die Politiker die Schuld für diese Entwicklung.

Olli: Im April gab es von Seiten der Innenbehörde den Versuch zum Dialog. Aber der Ausdruck "runder Tisch" scheint ein rotes Tuch zu sein. Warum?

Peter: Die Frage ist, was soll dieser runde Tisch bewirken? Ich meine, was hätte er am Schanzenfest verändern sollen? Gesetzt den Fall, dass wirklich jemand das Fest anmelden würde, war eigentlich klar, was dahinter steckt. Es hatten sich beispielsweise zwei Betreiber der Altonale gemeldet. Da fragen wir uns natürlich, was die Leute von der Altonale mit dem Schanzenfest zu tun haben. Da ist klar, dass das dann ähnlich ablaufen soll, wie die Altonale, nämlich als großes Kommerzgeschäft. Dann kommen die Würstchen- und Bierwagen, die da ihr Geld machen. Wir wollen eben, dass das Schanzenfest ein überwiegend unkommerzielles Fest bleibt. Auch jetzt schon kommen professionelle Trödelhändler. Das ist schwer zu verhindern, aber ansonsten ist das zum großen Teil schon noch alles Eigeninitiative hier.

“Es gab eigentlich gar keinen Anlass“


Olli: Verständlicherweise fällt es schwer, sich auf einen Dialog einzulassen, wenn einem die Lobby fehlt. Da ist dann schon vorab klar, dass sich nichts Grundlegendes ändern wird. Dennoch ist Gewalt wohl keine Alternative, oder?

Peter: Nein, die Gewalt ist keine Alternative. Man muss dabei sehen, dass es diese Gewalt nicht seit zwanzig Jahren gibt. Das hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Und unserer Meinung nach liegt der Ausgangspunkt eindeutig in dem überzogenen Einsatz in den ersten beiden Jahren von Seiten der Polizei. Wenn man sieht, was sonst so Alles bei irgendwelchen offiziellen Festen der Stadt toleriert wird. Hier war der Ausgangspunkt beim ersten Mal ein kleines Lagerfeuer um das herum in etwa zwanzig Leute gesessen haben. Das wurde als Anlass genommen, um hier mit Hundertschaften und Wasserwerfern das ganze Viertel wegzupusten. Das hat dazu geführt, dass sich hier ein Kreislauf etabliert hat. Das hat sich immer mehr verschärft. Und dieses Mal ist es ja nun so gewesen, dass es eigentlich gar keinen Anlass gab und die Polizei schon um Sieben Uhr abends grundlos mit Hundertschaften durch das Viertel marschiert ist. Da muss ich sagen, dass ich auch nicht in Ruhe feiern kann, wenn hinter mir behelmte Polizisten in voller Kampfmontur stehen. Das ist eindeutig eine Provokation und man hat dann wirklich den kleinsten Anlass, den man sich nur vorstellen konnte, nämlich eine fliegende Flasche auf die leere(!) Bühne, genommen, um dann das ganze Schanzenviertel praktisch leer zu räumen und abzusperren. Das sich daraufhin immer mehr sogenannte normale Kneipenbesucher auf die Seite der Protestierer gesellt haben, ist nicht verwunderlich. Es gibt immer mehr neutrale Beobachter, die sagen, es sei unglaublich, was die Polizei hier abgezogen hat.

“Das stimmt einfach nicht!“


Olli: Also ich hatte den Eindruck, dass es ungleich heftiger war, als in den vergangenen Jahren. Mir schien, dass auch sehr viele Gewalttouristen unterwegs waren.

Peter: Ja, also ich habe auch gehört, dass um die 80 Leute aus Berlin dagewesen sein sollen. Das ist klar, weil es nun in den vergangenen Jahren auch einen gewissen Ruf erlangt hat. Ich habe gehört, dass es jetzt sogar schon international in den Kalendern vermerkt ist. So fahren am 1. Mai auch viele Leute nach Berlin, das wird man nicht verhindern können. Auf der anderen Seite kann man keinesfalls sagen, dass das hier nun Alles etwas Inszeniertes ist, von Leuten, die mit der Schanze gar nichts zu tun haben. Das stimmt einfach nicht! Ich kenne sehr viele Leute aus dem Schanzenviertel, die sagen: „Dieses Fest lassen wir uns nicht nehmen!“, und die diese Art von Polizeieinsatz einfach als provokant empfinden. Und deshalb sind diese Leute verständlicherweise sehr, sehr wütend. Man kann also nicht sagen, es seien jetzt eventorientierte Jugendliche aus Reinbek, oder so. Mag natürlich sein, dass auch solche Leute da sind, aber es sind definitiv ganz viele Menschen aus dem Schanzenviertel. Es sind ja am Sonnabend auch durchaus richtig heftige Sachen passiert. Hast du von der Sache mit dem "Jolly Roger" etwas mitbekommen?

Olli: Nein, bisher noch nicht. Erzähle doch mal!

Peter: Nachts zwischen Zwei und Drei sind wohl ein paar Flaschen geflogen, aber eben nicht vom "Jolly Roger" aus. Der Laden war voll und vor der Tür standen auch ’ne Menge Leute. Es waren also Leute auf der Budapester Straße, die mit Flaschen geworfen haben. Und dann ist die Polizei mit einem Wasserwerfer um die Ecke gekommen und hat volle Kanne in Kopfhöhe auf die Leute geschossen. Die Leute bekamen Panik und versuchten ins Jolly zu flüchten. Aber da passten natürlich gar nicht mehr alle rein. Dabei ist dann wohl auch noch die Scheibe einer darüber liegenden Wohnung zu Bruch gegangen. Danach haben sie dann unter massiven Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray versucht, den Laden zu stürmen. Dabei haben sie bei einer Person wohl noch die komplette obere Kauleiste entfernt. Das muss wohl richtig heftig zugegangen sein.

Olli: Da bin ich erstmal sprachlos! Peter, nichts desto trotz danke ich dir für dieses Interview.

Quelle: Bild

Einen wirklichen Lösungsansatz hat Peter also leider auch nicht parat. Somit bleibt lediglich festzustellen, dass die Politik, gewollt oder ungewollt, vor Jahren versäumt hat, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht, bleibt abzuwarten.

Mehr…?
…nicht!



So, so you think you can tell Heaven from Hell,
blue skies from pain.
Can you tell a green field from a cold steel rail?
A smile from a veil?
Do you think you can tell?
And did they get you to trade your heroes for ghosts?
Hot ashes for trees?
Hot air for a cool breeze?
Cold comfort for change?
And did you exchange a walk on part
in the war for a lead role in a cage?
How I wish, how I wish you were here.
We're just two lost souls swimming in a fish bowl, year after year,
Running over the same old ground.
What have you found? The same old fears.
Wish you were here.
Pink Floyd, Wish you were here, 1975




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Dienstag, 16. Juni 2009

Bernds Kosmos

Vor ein paar Wochen bekam ich irgendwo am Rande mit, dass die Fanprojekte beider großer Hamburger Vereine eine begrüßenswerte Aktion initiieren. Durch die gemeinsame Arbeit an einem Film sollen sich insbesondere junge Fans beider Lager näher kommen, um so vermeintliche Vorurteile abzubauen. Wer mehr darüber weiß, kann ja mal einen Kommentar abgeben.

Ich jedenfalls wollte einfach mal schauen, wie das aktuelle Verhältnis der Anhänger zum (un-)geliebten Nachbarn ist.

Da wäre ersteinmal die Fraktion, die außer blankem Hass nichts für den Anderen übrig hat.
Betrachtet man aber mal die Menschen hinter dem bloßen Klub-Wappen, dann tauchen sie unvermeidlich überall im Bekannten-, Freundes- und Kollegenkreis auf. Und ich muss zugeben, dass mir jenseits vom Fußball viele Leute, die die Vorstädter unterstützen, sehr sympathisch sind.
Genau deshalb hat Hass weder im Fußball noch in irgendeiner anderen gesellschaftlichen Situation etwas verloren.
Die Frage, ob man Personen und Gruppierungen, die in irgendeiner Form Diskriminierung oder Unterdrückung ausüben, mit Hass oder nur Mitleid begegnen sollte, sei hier einmal außen vor gelassen.

Gegen eine gesunde Rivalität mit Schadenfreude und Frotzeleien, wo uns die grün-weißen Wochen der letzten Saison eine Steilvorlage nach der anderen lieferten, aber wie auch wir sie zu Regionalliga-Zeiten in den Spielen gegen St. Ellingen II (Transparent vor leerem Block in der Nordkurve: „Wir sind dann mal Bundesliga gucken!“) aushalten mussten, ist aus meiner Sicht indes nichts einzuwenden. Im Gegenteil, sie unterstreichen die unterschiedlichen Lebensstile und (fußball-) politischen Anschauungen.

Ebenso gibt es natürlich noch eine Reihe von Leuten, denen es schlichtweg Banane ist, was auf der anderen Seite passiert, zumal wir zurzeit eh in verschiedenen Ligen spielen.

Des Weiteren kenne ich Menschen, die Fan der einen Mannschaft sind, aber durchaus auch Sympathien für den anderen Klub hegen, ganz getreu dem Motto „Hauptsache Hamburg“.

Tja, und dann kenne ich noch Bernd. Bernd ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln, denn er ist leidenschaftlicher Anhänger unseres FC St. Pauli und des HSV.

Aus meiner Sicht können zwei Vereine unterschiedlicher nicht sein. Außer der gemeinsamen Heimatstadt und der Tatsache, dass in beiden Klubs versucht wird, professionell Fußball zu spielen, sehe ich keinerlei Übereinstimmungen.

Für mich Grund genug, Bernd zum Interview zu bitten und mir seinen Kosmos einmal zu erklären.

So verabredeten wir uns zu einem kleinen Plausch in der Schanze. Da hatte ich allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ihr macht euch kein Bild, wie kompliziert es ist, an einem Donnerstagabend einen geeigneten Ort für ein Interview auf der neuen Amüsiermeile zu finden. Letztlich landeten wir in einer kleinen, portugiesischen Bar direkt auf der Piazza. Nachdem wir den Wirt gebeten hatten, das Radio ein wenig runter zu drehen, ging’s endlich los...


Der doppelte Bernd

Olli: Hallo Bernd, stelle dich erst mal kurz vor. Wer bist du, was machst du?

Bernd: Tja, wer bin ich, was mach’ ich so? Ich heiße Bernd, bin Ende 30, so wie du und ich bin Lehrer.

Olli: Erzähle doch mal, wie und wann du zum Fußball gekommen bist.

Bernd: Ja also ich bin erst zum HSV gekommen und zwar, ja wann ging das eigentlich los? Keine Ahnung, eigentlich seit ich denken kann. Ich habe immer in Hamburg gewohnt, die ganze Zeit schon.

Olli: Also gab es kein spezielles Spiel, wo du jetzt sagen würdest, das war das Erste, das war ein Schlüsselerlebnis?

Bernd: Nein, ich weiß nicht genau, wann ich das erste mal im Stadion war. Aber es war auf jeden Fall im alten Volksparkstadion.

Olli: Das heißt, du bist ursprünglich ein HSV-Fan?

Bernd: Richtig, da ging’s los!

Olli: Hast du denn mittlerweile die grün-weißen Wochen einigermaßen verdaut?

Bernd: (lacht) Noch nicht wirklich. Aber ich arbeite dran.

“Irgendwie war St. Pauli damals
bei Studenten angesagter“

Olli: Wie bist du dann zum FC St. Pauli gekommen?

Bernd: Also bei mir war’s damals so, dass mein Vater St. Pauli Fan war. Da war es eigentlich die logische Konsequenz, dass ich halt HSV-Fan wurde. Irgendwann musste ich dann aber auch zu St. Pauli gehen. Während des Studiums, ich weiß gar nicht mehr so genau, wie ich damals an die erste Dauerkarte gekommen bin, egal, ging’s auf jeden Fall los. Da bin ich mit den Kommilitonen zum Fußball gegangen. Da haben wir dann gesagt: „Lass mal ’ne Dauerkarte holen!“ Irgendwie war St. Pauli damals bei Studenten angesagter und wahrscheinlich war es auch einfach eine Preisfrage. Und so kam es dann, dass ich ab da mehr zu St. Pauli gegangen bin.

Olli: Du unterstützt also voller Leidenschaft beide Hamburger Vereine?

Bernd: (grinst) Ja, und zwar zu 100%!

Olli: Pluralismus ist für einen Lehrer ja keine schlechte Eigenschaft. Besitzt du für beide Vereine eine Dauerkarte?

Bernd: Nee, ich habe nur ’ne Dauerkarte für St. Pauli.

Olli: Warum hast du keine für den HSV

Bernd: Erstens ist das eine Preisfrage. Zweitens habe ich auch noch eine Freundin, die wäre, glaube ich, auch nicht so begeistert und drittens ist es natürlich, wenn ich ehrlich bin, mit dem ganzen Drumherum einfach schöner und netter bei St. Pauli.

Olli: Bleiben wir mal bei der Preisfrage, Stichwort Kommerz: Auf der einen Seite die Fans des FC St. Pauli, die sich in der Breite mit Händen und Füßen gegen den Verkauf des Stadionnamens wehren, auf der anderen Seite der HSV, dessen Gros der Anhängerschaft nach AOL mit der HSH-Pleitebank bereits den zweiten Großkonzern als Namensgeber für die sportliche Heimat duldet. Wie siehst du diese Entwicklung

Bernd: Tja, dass finde ich auch nicht wirklich schön, aber ich denke, in der 1. Bundesliga gehört das einfach dazu. Sonst kannst du halt nicht mithalten. Und das ist ja auch das Schöne, dass ich weiß, ich bin einerseits St. Pauli-Fan, da kann ich das Kommerzielle noch so ein bisschen abschotten. Und andererseits, wenn ich dann richtigen Fußball sehen will, der natürlich hochklassiger ist beim HSV, dann muss ich so was eben mit in Kauf nehmen.

Olli: Wie weit darf das deiner Meinung nach gehen? Was wäre, wenn der Verein wie bereits in Österreich bei Energy Drink Salzburg geschehen, den Vereinsnamen an einen Sponsor verscherbeln würde? Dann würden womöglich alle zwei Jahre bei einem Sponsorenwechsel auch die Klubfarben wechseln. Alles noch ok?

Bernd: (lacht) Nee, das wäre für mich dann auch nicht mehr ok. Man muss ja nur mal nach England gucken. Also, was ich jetzt gehört habe ist, dass ja auch viele Engländer extra zu St. Pauli Spielen einfliegen, weil sie das halt auch nicht mehr sehen wollen, mit den Geldgebern, die Millionen in die Vereine pumpen. Das ist natürlich kritisch und das würde ich so dann auch nicht mehr mitmachen.

Olli: Also gerade in England verkommt der Fußball ja mehr und mehr zum emotionslosen Familienevent. Kidney Pie-fressende Zuschauer in reinen Sitzplatzstadien lassen doch so etwas wie Atmosphäre gar nicht mehr aufkommen. Ist dir das egal?

Bernd: Also ich war selbst noch nie in England beim Fußball im Stadion. Insofern weiß ich nicht genau, wie es da abläuft, aber da hätte ich natürlich keine Lust zu. Allerdings war ich in den USA mal beim Baseball und das fand ich grauenhaft!

“Gemeinsamkeiten? Da gibt’s nicht viele!“

Olli: Du stehst mit USP-Jacke in der Südkurve, trägst im Volkspark aber ein HSV-Trikot. Welche Gemeinsamkeiten gibt es aus deiner Sicht, speziell wenn man die beiden Fanszenen vergleicht?

Bernd: Gemeinsamkeiten? Da gibt’s nicht viele. Ich hab’ da schließlich auch genug Probleme in beiden Stadien, wenn herauskommt, dass ich auch zum HSV oder entsprechend eben auch zu St. Pauli gehe. Aber für mich bin ich mit mir im Reinen und ich sehe da kein Problem. Ich kann mich sowohl mit der Südkurve identifizieren, als auch mit der Nordtribüne. Wobei ich ja beim HSV gar nicht so oft bin. Ich bin zwar HSV-Fan, gehe da aber eben selten ins Stadion.

Olli: Aber geht einem intellektuellen Menschen wie dir beispielsweise das zweistundenanhaltende „Werder Bremen, Hurensöhne“ wie es im DFB-Pokalhalbfinale zu hören war, nicht gehörig auf die Eier?

Bernd: Doch! (lacht laut)

Olli: Ist nicht besonders kreativ, oder?

Bernd: Nee, aber ich fand’s genauso ätzend, auch wenn es nach den Werder-Wochen natürlich klar war, wenn ich in der Südkurve „Scheiß HSV“ höre.

Olli: Wenn St. Pauli Fans auf HSV Anhänger treffen, ertönt von unserer Seite häufig ein „Hamburger seid schlau, geht nicht zum HSV!“. Meistens kommt als Retour dann ein „Deutsche wehrt euch, geht nicht zu St. Pauli!“. Das hat für mich eine andere Qualität und erinnert doch sehr an „Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Juden!“

“Das ist natürlich absolut indiskutabel!“

Bernd: Ja, also... (überlegt länger) äh... ich weiß nicht, also, wenn St. Pauli-Fans auf HSVer treffen, dann bin eigentlich nie in einem Lager. Das ist bei mir so noch nicht vorgekommen. Allerdings habe ich beim HSV noch ganz andere Sprüche und Lieder gehört. Irgendwas mit dem Sonderzug von St. Pauli bis nach Auschwitz.

Olli: Richtig, das allseits beliebte „U-Bahn Lied“...

Bernd: Ja, das geht natürlich gar nicht! Aber es gibt Leute, die halt auch in der Südkurve stehen und ungefähr meinen Heimweg haben. Da höre ich halt auch auf dem Weg durchs Viertel die ganze Zeit „Scheiß HSV, Scheiß HSV!“.

Olli: Entschuldige, aber das hat doch wohl noch mal eine ganz andere Qualität?

Bernd: So, ja natürlich, das ist noch mal was ganz anderes, als „Deutsche wehrt euch“ oder der Zug nach Auschwitz. Aber da brauchen wir auch gar nicht drüber zu reden. Das ist natürlich absolut indiskutabel!

Olli: Wenn du so was im Volkspark hörst, schämst du dich da nicht in Grund und Boden?

Bernd: Ja, obwohl ich auch sagen muss, dass das abgenommen hat. Ich gehe ja schon ewig zum HSV. Und früher in der alten Westkurve, da war es richtig schlimm. Also in Block E standen die Fans. Daneben war halt Block F und der war komplett voll mit Reichskriegsflaggen. Es ist beim HSV jetzt auch schon deutlich weniger geworden. Du musst eben auch mal sehen, das da knapp 60.000 Leute reingehen, da sind natürlich immer noch ein paar Vollidioten dabei. Es sind deutlich mehr als bei St. Pauli, dass fällt mir natürlich auch auf. Wobei ich aber auch glaube, dass der HSV da mittlerweile ziemlich viel gegen unternimmt. Und das auch schon seit Jahren, um solche Leute da eben auch rauszubekommen. Im Stadion bekommt man das eigentlich fast gar nicht mehr mit, finde ich. Natürlich hast du recht, gerade auf dem Weg zum Stadion. Es ist tatsächlich noch nicht allzu lange her, da habe ich eben dieses Lied mit dem Sonderzug nach Auschwitz von einer Gruppe gehört.

Olli: Du sagst gerade, der HSV selbst unternehme viel dagegen. Was für mich St. Pauli zu etwas Besonderem macht, ist die Innovation und Entschlossenheit, mit der Diskriminierung direkt aus der Fanszene heraus entgegengetreten wird. Das hat dazu geführt, das wir deutschlandweit der erste Verein mit einem Antidiskriminierungsparagraphen in der Vereinssatzung waren. Zumindest am Millerntor kann man sich einigermaßen sicher sein, dass niemand lange ungestraft „Schwuchtel“ oder „Neger“ brüllt. Kannst du diese Art der Zivilcourage auch beim HSV erkennen? Gibt’s da Leute, die dann aufstehen?

Bernd: Also, ich glaube... (kurze Pause), also hab’ ich jetzt so noch nicht erlebt, dass jemand aufsteht, wenn da „Schwuchtel“ oder „Neger“ gebrüllt wird. Wobei ich das in meiner Umgebung im Stadion auch noch nicht erlebt habe, dass da jemand „Neger“ schreit. Aber „Schwuchtel“ oder so was, das ist natürlich klar, dass das beim HSV vorkommt. Aber das ist ja eigentlich in allen Fußballstadien geläufig, außer vielleicht bei St. Pauli. Aber selbst bei St. Pauli gibt’s genug Leute, die auch mal „Schwuchtel“ rufen. Aber du hast natürlich recht. Bei St. Pauli kommt ganz viel aus der Fanszene dagegen. Das ist aber, glaube ich, bei St. Pauli einmalig. Und gerade deshalb ist es eben auch so einzigartig.

Olli: Na ja, vielleicht gibt es noch ein paar vergleichbare Szenen, Babelsberg beispielsweise.

Bernd: Wieso Babelsberg, was ist da?

Olli: Na, die haben halt auch eine antifaschistische Fanszene.

Bernd: Ach, das wusste ich gar nicht!

“Das ist echt ’ne schwere Frage“

Olli: Zum Abschluss malen wir uns mal ein fiktives Szenario aus. Wir steigen innerhalb der nächsten Jahre tatsächlich noch einmal auf. Der Spielplan will es so, dass die letzte Begegnung der Saison FC St. Pauli – HSV lautet. Die Partie ist trotz aller sicherheitstechnischer Zweifel der Polizei und aller finanzieller Bedenken unseres Präsidenten am Millerntor angesetzt. Der HSV, lassen wir den Emirates-Cup mal außer Acht, kann mit einem Sieg den ersten Titel seit über 30 Jahren gewinnen. Nur wenn die zweitplazierten Bremer im letzten Spiel die abstiegsbedrohten Rostocker schlagen, können wir mit einem Sieg die Klasse halten. Für wen bist du?

Bernd: Also noch mal, muss Bremen gewinnen oder verlieren?

Olli: Bremen muss gegen Rostock gewinnen, damit wir nicht absteigen!

Bernd: Ah ja, Bremen und Rostock sind mir natürlich beide zuwider! Das hast du schon gut formuliert... Also ich muss mich jetzt zwischen Bremen und Rostock entscheiden?

Olli: Nein, du musste dich zwischen HSV und St. Pauli entscheiden!

Bernd: Ah, und das Spiel ist am Millerntor? Na ja, da ich ja die St. Pauli Dauerkarte habe, wäre ich wohl für St. Pauli. Ach so, für St. Pauli geht’s auch noch um was?

Olli: Ja, um den Klassenerhalt! Nur möglich, wenn Rostock zeitgleich gegen Bremen verliert. Also, um das noch mal zusammenzufassen: Entweder halten wir die Klasse oder der HSV kann das erste Mal seit über 30 Jahren Meister werden!

Bernd: Oh, das ist echt ’ne schwere Frage, Olli... (längere Pause) ...ich glaube... was hat das Ganze noch mit Bremen und Rostock zu tun?

Olli: Bremen spielt zeitgleich gegen Rostock. Entweder wird Bremen Meister oder Rostock hält die Klasse.

Bernd: Tut mir Leid Olli, da muss ich jetzt sagen, der HSV wird Meister, denn nach diesen Bremer-Wochen darf man sich das nicht noch mal erlauben schon wieder gegen Bremen zu verlieren. Da muss St. Pauli eben einmal absteigen und Rostock drin bleiben. Dann steigt St. Pauli halt im Folgejahr wieder auf!

Olli: Bernd, ich danke dir für dieses Interview.


Gänzlich überzeugen konnte Bernd mich nicht, den HSV jetzt gut zu finden. Jedenfalls werde ich weiterhin nach der Devise „Leben und leben lassen“ agieren. Nichts desto trotz werde ich auch in Zukunft die ein oder andere Spitze in Richtung Vorstadt abfeuern. Aber daran wird wohl niemand sterben.



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