Freitag, 25. März 2011
ollis-tresen-thesen, 22:14h
Endlich Feierabend, endlich Wochenende! Ich sitze in der S-Bahn und folge dem Gespräch des Pärchens neben mir. Es geht um den FC St. Pauli.
Er ist früher häufiger hingegangen und hat sogar mal ein paar Jahre lang eine Dauerkarte besessen. Mittlerweile fällt ihm der ganze Ultra-Hokuspokus aber auf die Nerven. Sie war nur zweimal da. Generell gefallen ihr keine laut grölenden, betrunkenen Männerhorden. Aber als sie vor zwei Jahren nach Hamburg kam, ist sie halt mal mitgegangen. Den ach so anderen Verein muss ja jeder Zugezogene mal erlebt haben.
Und ruck zuck ist die gute Laune des Wochenendes auch schon fast wieder verflogen. Nein liebe Touristen und Neu-Hamburger, ihr müsst nicht zum Gaffen ans Millerntor kommen. Ihr verkörpert das klassische Event-Klientel, das mir so unwiderstehlich auf den Sack geht und mich ab und an die sportliche Unterklassigkeit herbeisehnen lässt.
Bei genauerem Hinsehen muss ich allerdings Nachsicht walten lassen. Schließlich sind wir ja alle irgendwie und irgendwann mal am Millerntor gelandet. Sei es der Banker, der von seinen Geschäftspartnern eingeladen wurde, sei es der Punker, der eben mal im Stadion soff, statt an der Tanke auf dem Kiez. Ein erstes Mal gab es für jeden. Für viele war es nicht mal der FC St. Pauli der ihnen den ersten Kontakt zum Fußball beschert hat.
Nun kann ich es nicht mit Zahlen belegen – und wahrscheinlich hat auch noch niemand eine solche Statistik erhoben – aber gefühlt kenne ich keine Fanszene, deren Verein für ihre Mitglieder nicht mindestens die zweite Station in ihrem Fandasein darstellt, wie die des FC St. Paulis. Viele meiner Freunde haben früher zu anderen Vereinen gehalten. Sei es Aachen, Bremen, Freiburg, Schalke oder Gladbach, um nur einige zu nennen. Warum nun soviele Leute Nick Hornbys These, man suche sich seinen Verein nicht aus, er wird einem gegeben, widerlegen, wer weiß? Ohne Zweifel aber stellt sich unter den Wechslern die Fraktion aus dem Volkspark als die mit Abstand größte dar. Und da kann ich nur schildern, wie es bei mir war.
Ich selbst hatte in den Saisons 82/83 und 83/84 eine Dauerkarte für Block E in der alten Westkurve. Nun will ich mich hier nicht moralischer darstellen, als ich wirklich bin. Es gab damals unterschiedliche Gründe für mich, nicht mehr zum Fußball zu gehen. Allerdings waren es nicht die rassistischen und sexistischen Attitüden, die damals in den Kurven Gang und Gebe waren. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Das die Gesellschaft provozierende Gebaren ließ mich zu den älteren Kuttenträgern aufschauen und verlangte mir groteskerweise sogar etwas wie Respekt ab. Das dadurch Minderheiten diskriminiert oder gar bedroht wurden, habe ich mit 12 oder 13 Jahren einfach noch nicht geblickt.
Er ist früher häufiger hingegangen und hat sogar mal ein paar Jahre lang eine Dauerkarte besessen. Mittlerweile fällt ihm der ganze Ultra-Hokuspokus aber auf die Nerven. Sie war nur zweimal da. Generell gefallen ihr keine laut grölenden, betrunkenen Männerhorden. Aber als sie vor zwei Jahren nach Hamburg kam, ist sie halt mal mitgegangen. Den ach so anderen Verein muss ja jeder Zugezogene mal erlebt haben.
Und ruck zuck ist die gute Laune des Wochenendes auch schon fast wieder verflogen. Nein liebe Touristen und Neu-Hamburger, ihr müsst nicht zum Gaffen ans Millerntor kommen. Ihr verkörpert das klassische Event-Klientel, das mir so unwiderstehlich auf den Sack geht und mich ab und an die sportliche Unterklassigkeit herbeisehnen lässt.
Bei genauerem Hinsehen muss ich allerdings Nachsicht walten lassen. Schließlich sind wir ja alle irgendwie und irgendwann mal am Millerntor gelandet. Sei es der Banker, der von seinen Geschäftspartnern eingeladen wurde, sei es der Punker, der eben mal im Stadion soff, statt an der Tanke auf dem Kiez. Ein erstes Mal gab es für jeden. Für viele war es nicht mal der FC St. Pauli der ihnen den ersten Kontakt zum Fußball beschert hat.
Nun kann ich es nicht mit Zahlen belegen – und wahrscheinlich hat auch noch niemand eine solche Statistik erhoben – aber gefühlt kenne ich keine Fanszene, deren Verein für ihre Mitglieder nicht mindestens die zweite Station in ihrem Fandasein darstellt, wie die des FC St. Paulis. Viele meiner Freunde haben früher zu anderen Vereinen gehalten. Sei es Aachen, Bremen, Freiburg, Schalke oder Gladbach, um nur einige zu nennen. Warum nun soviele Leute Nick Hornbys These, man suche sich seinen Verein nicht aus, er wird einem gegeben, widerlegen, wer weiß? Ohne Zweifel aber stellt sich unter den Wechslern die Fraktion aus dem Volkspark als die mit Abstand größte dar. Und da kann ich nur schildern, wie es bei mir war.
Ich selbst hatte in den Saisons 82/83 und 83/84 eine Dauerkarte für Block E in der alten Westkurve. Nun will ich mich hier nicht moralischer darstellen, als ich wirklich bin. Es gab damals unterschiedliche Gründe für mich, nicht mehr zum Fußball zu gehen. Allerdings waren es nicht die rassistischen und sexistischen Attitüden, die damals in den Kurven Gang und Gebe waren. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Das die Gesellschaft provozierende Gebaren ließ mich zu den älteren Kuttenträgern aufschauen und verlangte mir groteskerweise sogar etwas wie Respekt ab. Das dadurch Minderheiten diskriminiert oder gar bedroht wurden, habe ich mit 12 oder 13 Jahren einfach noch nicht geblickt.
Es war dann mein Opa, der mich darauf aufmerksam machte, dass St. Pauli die Aufstiegsrunde zur 2. Bundeliga spielte und fragte, ob wir da nicht mal hin wollten. Seit dem 2-1 Sieg gegen den VfB Oldenburg an diesem 24. Mai 1986 ist es um mich geschehen. Damals gab es die Rivalität zwischen den Stellingern und uns in der heute bekannten Form allerdings noch nicht. Die sollte sich erst mit unserem Aufstieg 1988 in die Bundesliga entwickeln. Viele der Zuschauer hegten Sympathien für beide Vereine und besuchten nach wie vor parallel die Spiele im Volkspark. Aufgrund der großen Schnittmenge auf den Rängen wunderte sich zunächst auch niemand über Lieder von den „Zehn nackten Negern mit Hosenträgern“ oder ähnlichem.
Was also machte den Unterschied? Wahrscheinlich war es ganz profan. Fußball am Millerntor hatte etwas amateurhaftes. In der Halbzeit wanderte man in die gegenüber liegende Kurve, um stets hinter dem gegnerischen Keeper stehen zu können. Dieser Verein mit dem charmant unprofessionellen Flair konnte in den bezahlten Fußball aufsteigen. Underdog-Feeling eben, mehr war es wohl gar nicht.
Was aber ein wenig irritierend anmutete, war die von Spiel zu Spiel anwachsende Gruppe von Punks, die sich auf der Gegengeraden versammelte und an der man beim Weg auf die andere Seite in der Pause vorbei musste. Diese kleine Fraktion, die sich um die erste Totenkopf-Fahne scharrte, brachte Ideale ins Stadion, die es in den anderen Fußballstadien nicht gab. Nach und nach verbreiteten sich diese Werte und die Leute begannen darüber zu sinnieren, ob Gegnerschmähung und Diskriminierung zwangsläufig Teil des Fußballs sein mussten. Das linke Image war geboren! Trotzdem dauerte es noch bis in die frühen 1990er Jahre, bis die letzten rechten Gruppierungen begriffen hatten, dass das Millerntor ihnen keinen Platz bietet. Die Älteren unter euch werden sich erinnern, dass es bei fast jedem Heimspiel zu mehr oder minder heftigen physischen Auseinandersetzungen mit Fan-Clubs wie beispielsweise „St. Pauli United“ kam. Der Sänger des oben eingebetteten Videos formulierte es einst recht treffend: „Wir haben die Nazis nicht durch sozial-pädagogisches Gequatsche aus dem Stadion vertrieben.“ So sieht’s aus. Ob es aber der einzig gangbare Weg war, bleibt offen. Denn die Gesinnung hat ihnen wohl auch niemand aus den hohlen Köpfen geprügelt. Da bedarf es dann doch wieder dem Engagement der Sozialpädagogen.
Wer heute die Verankerung von Antirassimus und Antisexismus in der Stadionordnung als völlig normal erachtet, der sollte sich vergegenwärtigen, dass es auch beim FC St. Pauli Menschen brauchte, die dafür hart gekämpft haben.
Dass sich diese Ideale nicht als Status Quo konservieren lassen, sondern stetig gelebt werden müssen, sollte auch jedem klar sein. Da ich seit einigen Jahren meinen Platz in Block 1 gefunden habe, bekomme ich vom asozialen Verhalten mancher Millerntor-Besucher wenig bis gar nichts mit. Bloß auswärts wundere ich mich ein ums andere mal, wer sich da so alles im Umfeld des magischen FCs tummelt. Die Debatten über assige Prollerei innerhalb der Fanszene flammen indes stets aufs Neue auf. Selbst T-Shirts wie dieses oder jenes sollen schon in unserem Stadion gesehen worden sein. Schlimm, dass so etwas vorkommt. Viel schlimmer aber, wenn niemand etwas dagegen tut.
Die Frage, wo sich der FC St. Pauli in ein paar Jahren widerfindet, kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass früher nicht alles gut war und heute nicht alles schlecht ist. Wichtig bleibt, dass wir aufbegehren, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht.
So wie wir es Ende der Achtziger gegen Nazis getan haben, so wie wir es zuletzt mit dem Jolly Rouge gegen die zunehmende Kommerzialisierung getan haben und so wie wir es in all den Jahren dazwischen gegen den Bau eines Super-Duper-Sport-Domes oder für die Rechte von Auswärtsfans getan haben. Über die Form des Widerstandes wird es immer Diskussionen geben. Aber das ist legitim und von meiner Seite aus sogar erwünscht.
Dann können sich meinetwegen auch die Touristen und Neu-Hamburger an diesen verrückten, linken Fußballfans weiden. Vielleicht kommt die Dame aus der S-Bahn ein drittes Mal wieder und entdeckt noch etwas anderes als besoffene Proleten. Und wer weiß, eventuell taucht der eine oder andere ja auch ein wenig tiefer ein und wird Teil unserer einzigartigen Szene.
Was also machte den Unterschied? Wahrscheinlich war es ganz profan. Fußball am Millerntor hatte etwas amateurhaftes. In der Halbzeit wanderte man in die gegenüber liegende Kurve, um stets hinter dem gegnerischen Keeper stehen zu können. Dieser Verein mit dem charmant unprofessionellen Flair konnte in den bezahlten Fußball aufsteigen. Underdog-Feeling eben, mehr war es wohl gar nicht.
Was aber ein wenig irritierend anmutete, war die von Spiel zu Spiel anwachsende Gruppe von Punks, die sich auf der Gegengeraden versammelte und an der man beim Weg auf die andere Seite in der Pause vorbei musste. Diese kleine Fraktion, die sich um die erste Totenkopf-Fahne scharrte, brachte Ideale ins Stadion, die es in den anderen Fußballstadien nicht gab. Nach und nach verbreiteten sich diese Werte und die Leute begannen darüber zu sinnieren, ob Gegnerschmähung und Diskriminierung zwangsläufig Teil des Fußballs sein mussten. Das linke Image war geboren! Trotzdem dauerte es noch bis in die frühen 1990er Jahre, bis die letzten rechten Gruppierungen begriffen hatten, dass das Millerntor ihnen keinen Platz bietet. Die Älteren unter euch werden sich erinnern, dass es bei fast jedem Heimspiel zu mehr oder minder heftigen physischen Auseinandersetzungen mit Fan-Clubs wie beispielsweise „St. Pauli United“ kam. Der Sänger des oben eingebetteten Videos formulierte es einst recht treffend: „Wir haben die Nazis nicht durch sozial-pädagogisches Gequatsche aus dem Stadion vertrieben.“ So sieht’s aus. Ob es aber der einzig gangbare Weg war, bleibt offen. Denn die Gesinnung hat ihnen wohl auch niemand aus den hohlen Köpfen geprügelt. Da bedarf es dann doch wieder dem Engagement der Sozialpädagogen.
Wer heute die Verankerung von Antirassimus und Antisexismus in der Stadionordnung als völlig normal erachtet, der sollte sich vergegenwärtigen, dass es auch beim FC St. Pauli Menschen brauchte, die dafür hart gekämpft haben.
Dass sich diese Ideale nicht als Status Quo konservieren lassen, sondern stetig gelebt werden müssen, sollte auch jedem klar sein. Da ich seit einigen Jahren meinen Platz in Block 1 gefunden habe, bekomme ich vom asozialen Verhalten mancher Millerntor-Besucher wenig bis gar nichts mit. Bloß auswärts wundere ich mich ein ums andere mal, wer sich da so alles im Umfeld des magischen FCs tummelt. Die Debatten über assige Prollerei innerhalb der Fanszene flammen indes stets aufs Neue auf. Selbst T-Shirts wie dieses oder jenes sollen schon in unserem Stadion gesehen worden sein. Schlimm, dass so etwas vorkommt. Viel schlimmer aber, wenn niemand etwas dagegen tut.
Die Frage, wo sich der FC St. Pauli in ein paar Jahren widerfindet, kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass früher nicht alles gut war und heute nicht alles schlecht ist. Wichtig bleibt, dass wir aufbegehren, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht.
So wie wir es Ende der Achtziger gegen Nazis getan haben, so wie wir es zuletzt mit dem Jolly Rouge gegen die zunehmende Kommerzialisierung getan haben und so wie wir es in all den Jahren dazwischen gegen den Bau eines Super-Duper-Sport-Domes oder für die Rechte von Auswärtsfans getan haben. Über die Form des Widerstandes wird es immer Diskussionen geben. Aber das ist legitim und von meiner Seite aus sogar erwünscht.
Dann können sich meinetwegen auch die Touristen und Neu-Hamburger an diesen verrückten, linken Fußballfans weiden. Vielleicht kommt die Dame aus der S-Bahn ein drittes Mal wieder und entdeckt noch etwas anderes als besoffene Proleten. Und wer weiß, eventuell taucht der eine oder andere ja auch ein wenig tiefer ein und wird Teil unserer einzigartigen Szene.
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Montag, 14. März 2011
Derbysieger auf ewig
und drei Tage!
ollis-tresen-thesen, 22:47h
Klar, habe ich vor ein paar Wochen behauptet, den Derbysieg sofort gegen den Klassenerhalt eintauschen zu wollen. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“, könnte ich den Altbundeskanzler Konrad Adenauer jetzt zitieren, wenn ich versuche, mich aus der bedrückenden Tristesse zu befreien, die das aktuelle sportliche Vakuum erzeugt. Aber so tief bin selbst ich noch nicht gesunken, als das ich mich auf konservative Politiker berufen würde.
Gewiss, es sind noch acht, vielleicht gar zehn Spiele zu spielen, bis ein Abstieg endgültig feststünde. Und vielleicht ist es in der Tat ein wenig früh, sich ein solches Szenario auszumalen. Andererseits frage ich mich schon, gegen wen wir noch die nötigen Punkte einfahren sollen, wenn es zu Hause nicht mal gegen Lackschuh-Brunos Trümmertruppe langt. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass mit Rothenbach, Morena, Zambrano und Oczipka mal eben eine komplette, Bundesliga-taugliche Abwehrreihe bis zum Saisonende ausfällt. Wenn dann noch ein weiterer Leistungsträger wie Matze Lehmann gelbbedingt fehlt, dann kriegen wir solch eine Situation mit dem aktuellen Kader einfach nicht kompensiert. Fakt!Da behaupte ich jetzt mal kackfrech, dass wir mit etwas mehr Erfahrung in der Hintermannschaft von ansonsten superharmlosen Schwaben keine zwei Dinger aus 30 respektive 20 Metern gefangen hätten.
Aber auch vorne geht momentan einfach zu wenig. Ein Tor aus den letzten vier Partien mutet sich, gelinde gesagt, erbärmlich an.
Also sehen wir den Tatsachen doch einfach ins Auge und schauen mal nach dem Positiven, das ein potenzieller Abstieg in die Zweitklassigkeit mit sich bringen würde. Zumal sich der FC St. Pauli laut Aussage der Vereinsführung ja langfristig unter den Top 25 der Republik etablieren soll, wäre der Gang in die zweite Liga wohl kein Beinbruch. Wenn ich da nicht ganz falsch gerechnet habe, können wir somit auch locker mal das ein oder andere Jahr im oberen Drittel des Unterhauses verweilen.
Zunächst einmal müssten wir nicht mehr so häufig in diesen widerwärtigen Kommerztempeln à la München oder Schalke antreten, um uns von Firma „Leck mich sonstwo“ den nächsten Einwurf präsentieren zu lassen.
Also sehen wir den Tatsachen doch einfach ins Auge und schauen mal nach dem Positiven, das ein potenzieller Abstieg in die Zweitklassigkeit mit sich bringen würde. Zumal sich der FC St. Pauli laut Aussage der Vereinsführung ja langfristig unter den Top 25 der Republik etablieren soll, wäre der Gang in die zweite Liga wohl kein Beinbruch. Wenn ich da nicht ganz falsch gerechnet habe, können wir somit auch locker mal das ein oder andere Jahr im oberen Drittel des Unterhauses verweilen.
Zunächst einmal müssten wir nicht mehr so häufig in diesen widerwärtigen Kommerztempeln à la München oder Schalke antreten, um uns von Firma „Leck mich sonstwo“ den nächsten Einwurf präsentieren zu lassen.
So geht’s da nämlich in etwa ab!
Zweitens könnten wir sämtliche Jolly Rouge Transpis, Fahnen und Klamotten aufheben, um sie bei jedem Montagsspiel den interessierten DSF Sport1-Zuschauern zu präsentieren. Die Bilder lassen sich im Fernsehen nämlich nicht so einfach wegregulieren und ignorieren, wie der Ton. Das hätte eine deutlich imposantere Wirkung, als der bekackte zwanzig-minütige Stimmungsboykott, den man selbst als Eingeweihter, der genau darauf Acht gibt, kaum wahrnimmt.
Weiterhin könnte Naki mal wieder unsere Fahne in das eroberte Territorium an der Ostsee rammen. Für mich nach wie vor einer der schönsten Momente in meinem Dasein als Fußballfan.
Weiterhin könnte Naki mal wieder unsere Fahne in das eroberte Territorium an der Ostsee rammen. Für mich nach wie vor einer der schönsten Momente in meinem Dasein als Fußballfan.
Ach war das herrlich!
Als bekennender Querulant wäre ich auch wirklich gespannt, ob sich im Falle eines Abstieges die Business-Seats noch immer wie geschnitten Brot verkauften oder sich ein Rückbau selbiger aus Mangel an Interesse vielleicht ganz von selbst einstellt.
Aber das allerschönste an einem Abstieg wäre, dass die Vorstädter solange keine Chance auf eine Revanche hätten, bis es uns beliebt, wieder aufzusteigen. Bis auf Weiteres blieben wir also aktueller Derbysieger.
Aber das allerschönste an einem Abstieg wäre, dass die Vorstädter solange keine Chance auf eine Revanche hätten, bis es uns beliebt, wieder aufzusteigen. Bis auf Weiteres blieben wir also aktueller Derbysieger.
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Freitag, 25. Februar 2011
ollis-tresen-thesen, 22:36h
Meine Stirn drückt gegen das kühle Fensterglas. Ich sitze in der Küche und starre auf die Straße. Von weitem sehe ich ein Auto näher kommen. Die Scheinwerferkegel sind gut zu erkennen. Das Licht spiegelt sich auf dem nassen Asphalt wider. Es regnet. Es ist einer dieser Sonntage voller Tristesse, grau und ungemütlich. Nur, dass heute alles viel schlimmer ist.
Eigentlich hatte ich diesen Sonntag ganz anders geplant, eigentlich. Jetzt sitze ich hier und die Gedanken schießen durch meinen Kopf. Mein Atem schlägt sich auf der Scheibe nieder und ich schreibe mit dem Finger die drei großen Buchstaben, die mir soviel bedeuten. Mama sagt, sie verstehe mich nicht mehr und ich sei fanatisch.
Mein Blick wandert durch unseren Vorgarten. Dort sprießen die ersten Schneeglöckchen und strotzen wacker dem Regen. Ich mag die Schneeglöckchen, weil sie Vorboten des Frühlings sind. Im Frühling gehe ich besonders gerne zum Fußball. Die Saison befindet sich in der entscheidenden Phase und das Wetter ist schön. In den vergangenen Jahren ging es meist darum, ob wir es noch in den UEFA-Cup schaffen. Letztes Jahr haben wir es nicht geschafft. Leider.
Wenn ich mit den Jungs zum Spiel fahre, dann warten wir an unserem kleinen Bahnhof auf den alten Zug mit der Diesellokomotive. Ich mag das Geräusch der Maschine und den Geruch des Diesels. Sie gehören für mich zum Fußball dazu. Wenn wir einsteigen, beschlagnahmen wir meist einen Vierersitzplatz. Die Leute neben uns stehen dann auf und setzen sich woanders hin. Ist schon ein cooles Gefühl, wenn Andere Respekt vor einem haben. Es sind nur ein paar Stationen bis zum Stadion. Naja, zumindest bis Eidelstedt. Von da muss man dann noch eine halbe Stunde zu Fuß laufen. Aber das müssen ja alle, die mit der Bahn kommen. Insofern zählt das nicht. Wenn ich es so betrachte, dann liegt unser Dorf eigentlich ziemlich zentral. Auf der Fahrt ins Stadion trinken wir dann unser Dosenbier, dass wir uns auf dem Weg zur Bahn bei Ali gekauft haben.
Ali betreibt die Dönerbude an der Hauptstraße und er ist der einzige Ausländer, den ich persönlich kenne. Wenn ich mit den Jungs bei ihm bin, dann nennen wir ihn scherzhaft Kanake. Aber Ali weiß, dass wir nur Spaß machen. Ali hat sogar einen kleinen Wimpel mit Raute in seinem Imbiss hängen. Ali ist echt okay. Kein Vergleich zu dem hinterhältigen Zigeunerpack, das sich beispielsweise auf St. Pauli rumtreibt.
Die Jungs waren gestern Abend auf dem Kiez. Da ist wohl gut was gegangen. Sie haben die Zeckenkneipe aufgemischt und konnten dabei mit 200 Mann ungehindert vom Hans-Albers-Platz bis dahin laufen. Die Bullen haben nichts gemacht. Man darf es ja eigentlich gar nicht laut sagen, aber ich finde, manche der Cops sind echt schwer in Ordnung.
Ich war nicht mit. Mir geht es nicht so gut. Außerdem hat es gestern auch schon geregnet. Diesmal ist es wirklich schlimm. Das Schrecklichste ist, dass Mama so traurig wirkt. Sie hat gesagt, sie verstehe mich nicht mehr und frage sich, was sie denn falsch gemacht habe. „Du hast gar nichts falsch gemacht“, habe ich gesagt. Stimmt ja auch, was kann Mama denn dafür? Sie wird es Papa erzählen, aber das ist eigentlich auch egal. Es weiß eh das ganze Dorf.
Damals als ich 14 war, wusste es auch das ganze Dorf. Papa hat mich mit dem Gürtel verdroschen und ich musste an vier Wochenenden Bauer Hansen auf seinem Hof helfen. Ställe ausmisten und so. Weil ich einer seiner Kühe einen Böller an den Schwanz gebunden hatte. Papa musste dann trotzdem noch eine Entschädigung zahlen. Obwohl ich beim alten Hansen geschuftet hatte. Die Kuh gab danach nämlich keine Milch mehr und musste zum Abdecker. Irgendwie tat mir das Tier sogar ein bisschen Leid. Weil sie zum Schlachthof musste und das war teilweise ja auch meine Schuld. Aber diesmal ist es schlimmer. Viel schlimmer! Was mache ich, wenn Mama und Papa mich rausschmeißen? Wo soll ich dann hin? Mir kullert eine Träne über die Wange. Ich fange sie mit meinem kleinen Finger auf und setze sie sanft auf die Fensterscheibe. Draußen perlen die Regentropfen das Glas hinunter. Hier drinnen läuft meine kleine Träne. Sie rinnt genau durch das große „S“ und macht aus ihm ein Dollar-Zeichen. H$V steht jetzt auf der Scheibe. Irgendwie verrückt.
Der Grund, warum ich heute nicht zum Fußball gehe, ist allerdings nicht der Regen. Ich kann auch nächste Woche nicht gehen. Und übernächste Woche auch nicht. Insofern ist es eigentlich ganz gut, dass wir dieses Jahr nicht im UEFA-Cup spielen. Sonst hätte ich Mittwoch auch nicht ins Stadion gehen können.
Sie haben die Bilder aus der Videoüberwachung ausgewertet. Darauf haben sie mich erkannt. Sie haben mir meine Dauerkarte weggenommen und gesagt, dass ich bis auf Weiteres bundesweites Stadionverbot hätte. Außerdem ermittelt die Polizei gegen mich. Zu allem Überfluss soll ich auch noch die Kosten für den Kampfmittelräumdienst übernehmen. In der Zeitung war ich auch. „Bombenalarm in der Arena“ haben die geschrieben. Ich bin doch nicht Obama bin Laden, oder wie der heißt. Wie gesagt, diesmal ist es wirklich schlimmer.
Als Kind habe ich oft hier gesessen und die digitale Küchenuhr mit den Klappziffern beobachtet. Die hängt schon solange neben dem Geschirrschrank, wie ich denken kann. Ich habe dann immer gewartet, bis die nächste Minute rum ist. Klack! 16:23, normalerweise hätten wir in sieben Minuten – pünktlich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit – die Bomben gezündet. Man, dass wäre echt ‘ne fette Nummer gewesen. Mitten im Zeckenblock. Die hätten echt Augen gemacht, wenn da der dichte Qualm in schwarz, weiß und blau aufgestiegen wäre. Irgendwo über dem Stadion hätte sich der Rauch dann vermischt. Was das wohl für eine Farbe ergeben hätte? Wahrscheinlich so eine Art Taubenblau vermute ich. Haben die Chaoten nicht auch immer so eine Taube auf ihren blauen Fahnen, wenn sie auf den Demos durch die Straßen ziehen? Ist irgend so ein Friedenssymbol glaube ich. Ja, ja, für den Frieden randalieren. Mal wieder typisch. Die sind doch alle voller Widersprüche, diese langhaarigen Bombenleger.
Blaues Licht in unserer kleinen Straße. Sie kommen, um mich abzuholen. Mir ist elend zumute. Wann bloß hört endlich dieser Gott verdammte Regen auf?
Eigentlich hatte ich diesen Sonntag ganz anders geplant, eigentlich. Jetzt sitze ich hier und die Gedanken schießen durch meinen Kopf. Mein Atem schlägt sich auf der Scheibe nieder und ich schreibe mit dem Finger die drei großen Buchstaben, die mir soviel bedeuten. Mama sagt, sie verstehe mich nicht mehr und ich sei fanatisch.
Mein Blick wandert durch unseren Vorgarten. Dort sprießen die ersten Schneeglöckchen und strotzen wacker dem Regen. Ich mag die Schneeglöckchen, weil sie Vorboten des Frühlings sind. Im Frühling gehe ich besonders gerne zum Fußball. Die Saison befindet sich in der entscheidenden Phase und das Wetter ist schön. In den vergangenen Jahren ging es meist darum, ob wir es noch in den UEFA-Cup schaffen. Letztes Jahr haben wir es nicht geschafft. Leider.
Wenn ich mit den Jungs zum Spiel fahre, dann warten wir an unserem kleinen Bahnhof auf den alten Zug mit der Diesellokomotive. Ich mag das Geräusch der Maschine und den Geruch des Diesels. Sie gehören für mich zum Fußball dazu. Wenn wir einsteigen, beschlagnahmen wir meist einen Vierersitzplatz. Die Leute neben uns stehen dann auf und setzen sich woanders hin. Ist schon ein cooles Gefühl, wenn Andere Respekt vor einem haben. Es sind nur ein paar Stationen bis zum Stadion. Naja, zumindest bis Eidelstedt. Von da muss man dann noch eine halbe Stunde zu Fuß laufen. Aber das müssen ja alle, die mit der Bahn kommen. Insofern zählt das nicht. Wenn ich es so betrachte, dann liegt unser Dorf eigentlich ziemlich zentral. Auf der Fahrt ins Stadion trinken wir dann unser Dosenbier, dass wir uns auf dem Weg zur Bahn bei Ali gekauft haben.
Ali betreibt die Dönerbude an der Hauptstraße und er ist der einzige Ausländer, den ich persönlich kenne. Wenn ich mit den Jungs bei ihm bin, dann nennen wir ihn scherzhaft Kanake. Aber Ali weiß, dass wir nur Spaß machen. Ali hat sogar einen kleinen Wimpel mit Raute in seinem Imbiss hängen. Ali ist echt okay. Kein Vergleich zu dem hinterhältigen Zigeunerpack, das sich beispielsweise auf St. Pauli rumtreibt.
Die Jungs waren gestern Abend auf dem Kiez. Da ist wohl gut was gegangen. Sie haben die Zeckenkneipe aufgemischt und konnten dabei mit 200 Mann ungehindert vom Hans-Albers-Platz bis dahin laufen. Die Bullen haben nichts gemacht. Man darf es ja eigentlich gar nicht laut sagen, aber ich finde, manche der Cops sind echt schwer in Ordnung.
Ich war nicht mit. Mir geht es nicht so gut. Außerdem hat es gestern auch schon geregnet. Diesmal ist es wirklich schlimm. Das Schrecklichste ist, dass Mama so traurig wirkt. Sie hat gesagt, sie verstehe mich nicht mehr und frage sich, was sie denn falsch gemacht habe. „Du hast gar nichts falsch gemacht“, habe ich gesagt. Stimmt ja auch, was kann Mama denn dafür? Sie wird es Papa erzählen, aber das ist eigentlich auch egal. Es weiß eh das ganze Dorf.
Damals als ich 14 war, wusste es auch das ganze Dorf. Papa hat mich mit dem Gürtel verdroschen und ich musste an vier Wochenenden Bauer Hansen auf seinem Hof helfen. Ställe ausmisten und so. Weil ich einer seiner Kühe einen Böller an den Schwanz gebunden hatte. Papa musste dann trotzdem noch eine Entschädigung zahlen. Obwohl ich beim alten Hansen geschuftet hatte. Die Kuh gab danach nämlich keine Milch mehr und musste zum Abdecker. Irgendwie tat mir das Tier sogar ein bisschen Leid. Weil sie zum Schlachthof musste und das war teilweise ja auch meine Schuld. Aber diesmal ist es schlimmer. Viel schlimmer! Was mache ich, wenn Mama und Papa mich rausschmeißen? Wo soll ich dann hin? Mir kullert eine Träne über die Wange. Ich fange sie mit meinem kleinen Finger auf und setze sie sanft auf die Fensterscheibe. Draußen perlen die Regentropfen das Glas hinunter. Hier drinnen läuft meine kleine Träne. Sie rinnt genau durch das große „S“ und macht aus ihm ein Dollar-Zeichen. H$V steht jetzt auf der Scheibe. Irgendwie verrückt.
Der Grund, warum ich heute nicht zum Fußball gehe, ist allerdings nicht der Regen. Ich kann auch nächste Woche nicht gehen. Und übernächste Woche auch nicht. Insofern ist es eigentlich ganz gut, dass wir dieses Jahr nicht im UEFA-Cup spielen. Sonst hätte ich Mittwoch auch nicht ins Stadion gehen können.
Sie haben die Bilder aus der Videoüberwachung ausgewertet. Darauf haben sie mich erkannt. Sie haben mir meine Dauerkarte weggenommen und gesagt, dass ich bis auf Weiteres bundesweites Stadionverbot hätte. Außerdem ermittelt die Polizei gegen mich. Zu allem Überfluss soll ich auch noch die Kosten für den Kampfmittelräumdienst übernehmen. In der Zeitung war ich auch. „Bombenalarm in der Arena“ haben die geschrieben. Ich bin doch nicht Obama bin Laden, oder wie der heißt. Wie gesagt, diesmal ist es wirklich schlimmer.
Als Kind habe ich oft hier gesessen und die digitale Küchenuhr mit den Klappziffern beobachtet. Die hängt schon solange neben dem Geschirrschrank, wie ich denken kann. Ich habe dann immer gewartet, bis die nächste Minute rum ist. Klack! 16:23, normalerweise hätten wir in sieben Minuten – pünktlich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit – die Bomben gezündet. Man, dass wäre echt ‘ne fette Nummer gewesen. Mitten im Zeckenblock. Die hätten echt Augen gemacht, wenn da der dichte Qualm in schwarz, weiß und blau aufgestiegen wäre. Irgendwo über dem Stadion hätte sich der Rauch dann vermischt. Was das wohl für eine Farbe ergeben hätte? Wahrscheinlich so eine Art Taubenblau vermute ich. Haben die Chaoten nicht auch immer so eine Taube auf ihren blauen Fahnen, wenn sie auf den Demos durch die Straßen ziehen? Ist irgend so ein Friedenssymbol glaube ich. Ja, ja, für den Frieden randalieren. Mal wieder typisch. Die sind doch alle voller Widersprüche, diese langhaarigen Bombenleger.
Blaues Licht in unserer kleinen Straße. Sie kommen, um mich abzuholen. Mir ist elend zumute. Wann bloß hört endlich dieser Gott verdammte Regen auf?
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