Donnerstag, 16. Dezember 2010

Gute Omen, keine Punkte – ein Tag in Bayern

Gastartikel von Dirty Dietz

Wer hätte gedacht, dass ich Nordlicht mal in Bayern landen würde? Na gut, Franken, um genau zu sein – und das nehmen die Menschen hier (zu Recht) sehr genau. Tatsächlich lebt es sich im Landstrich der Erstligaaufstiege (Nürnberg ’95 ; Fürth ’10) gar nicht mal so schlecht. Außerdem gibt es reichlich Südvereine in der ersten Bundesliga, und das bietet Gelegenheit, das eine oder andere Auswärtsspiel des ruhmreichen FC St. Pauli anzuschauen. Nun sollte es also zu den Bayern gehen. Und das war so:

06:45 Uhr

Eigentlich wollte ich noch eine Stunde schlafen, aber meine Tochter hat etwas dagegen. Aus kurzer Entfernung ertönt lautes Schmatzen und ab und zu ein Grunzen, das mich irgendwie an mich selbst vor dem ersten Bier erinnert. Auch bei Luise ist es ein untrügliches Zeichen für: DURST. Na gut, dann also gemeinsames aufstehen und statt eines richtigen Frühstücks Milchkaffee für mich und Babymilch für Luise. Braun und weiß – wenn das man kein gutes Omen ist!

08:30 Uhr

Mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Überraschung: Straßenbahn fährt trotz Schneedecke. Komme tatsächlich um einiges zu früh am Regionalexpress Richtung München an. Das ist auch gut so, denn er ist schon 15 Minuten vor Abfahrt rappelvoll, was einige ältere Herrschaften auf dem Weg zum Weihnachtsshopping sichtlich irritiert. Mir bestätigt die große Zahl an Riberys, Schweinsteigers usw. nur, dass wohl tatsächlich die wenigsten Bayern-Fans aus München kommen...

11:00 Uhr

Ankunft München Hauptbahnhof. Mein iPod steht auf Shuffle und was ertönt, als wir in den Bahnhof einfahren? Die Glocken von Hells Bells. Nun kann doch wirklich nichts mehr schief gehen!

12:00 Uhr

Treffen mit meinem alten Kumpel Thoddy und seinen Kumpels vom Fanclub Hafenklang im Andechser am Dom. Weißwurst mit süßem Senf: braun-weiß – wer sagt’s denn?!

14:15 Uhr

Stapfen von der U-Bahn dem Ding entgegen – weißer Schnee und brauner Matsch wohin man schaut. München hatte ich mir schöner vorgestellt. Aber die Farben sprechen für uns.

14:45 Uhr

Wir sind ganz oben angekommen. Im Stadion. Was ist das da unten? Ach, die Spieler. Das Wetter ist mies und unterscheidet sich damit deutlich von den Schönwetterpartien gegen die 60er. Da waren die Spiele immer fürchterlich – das heißt also...

14:55 Uhr

Ohrenschmerzen. Muss an der „Stadionmusik“ liegen. Unglaublich, aber vermutlich zielgruppenadäquat oder wie das heißt… Schnell wieder raus, Bier holen. Aber zunächst unter starkem Zittern Bayern-Bezahl-Karte kaufen. Danach ab in die Schlange. Ein Bier – na gut, sagen wir vier. Die anderen sollen ja auch nicht leben wie die Hunde.

15:15 Uhr

Man hält mich am Eingang zu den Plätzen auf. Mit Bier kein Eintritt. Man könnte ja auf die Idee kommen, das Zeug auf die Bayern-Fans in der unteren Etage zu schütten. Bin mir mit dem Ordner einig, dass das ein Skandal sei (nur aus unterschiedlichen Gründen). Überlege kurz, wie die Chancen stehen, die vier Bier noch entspannt vor dem Anpfiff zu trinken. Entscheide mich für eins und verkaufe die drei anderen meistbietend an die zahlreichen Bayern-Bezahlkarten-Verweigerer. Die Zahlungsbereitschaft ist erstaunlich. Habe damit die Eintrittskarte wieder raus. Überlege, ob das ein Geschäftsmodell mit Zukunft wäre.

15:30 Uhr

Anpfiff

15:48 Uhr

Altintop. Den muß man ja nicht angreifen. Ist wirklich nicht nötig. Oder vielleicht doch? Zu spät. Verdammt!

16:15 Uhr

Halbzeit. Sieht eigentlich ganz ordentlich aus. Wir spielen munter mit.
Trotzdem zwei altkluge Hinweise von meiner Seite
1. Auch mal einen rein machen, ist nicht verboten.

2. Schnell abspielen ist prima, aber hat Stani noch nicht erklärt, dass es auch darauf ankommt, wohin der Ball gespielt wird? Leider sind 80 Prozent aller hart erkämpften Bälle nach vier Sekunden wieder beim Gegner.
Kurzzeitgedächtnis funktioniert noch: kein Bier gekauft.

16:30 Uhr

Anpfiff zweite Halbzeit. Wenn einem in Hamburg etwas schmeckt, sagt man so was wie „Kann man essen“. Auf den Fußball übertragen heißt das in etwa „Hab schon Schlechteres gesehen“. Sieht also immer noch ganz gut aus. Spielen munter mit. Altkluge Hinweise gelten aber leider noch immer.

16:56 Uhr

Herr Rafati pfeift Elfmeter und gibt Kessler auch noch rot. Wieso eigentlich? Tippe auf 15 Spiele Sperre. Hain sitzt anscheinend gerade auf dem Topf oder muß noch die Badelatschen gegen Buffer tauschen. Das Warten macht Lahm leider gar nicht nervös. 2:0.

16:58 Uhr

Babak Rafati wertet die Extremität, die rechts aus Tymoshchuks Schulter hängt, als Fuß und verweigert den Elfer. Also, ich war nur knapp zwei Kilometer Luftlinie weg, aber…

Naja, vielleicht wollte Rafati uns nur die Peinlichkeit ersparen, auch den Elfer zu verballern. Schließlich waren mit Zambrano, Thorandt und Tiffert die letzten drei Torschützen allesamt nicht auf dem Platz...

Hm, damit war’s das dann in jedem Fall.

17:20 Uhr

Schweinsteiger gibt seinen Wechsel ans Millerntor bekannt, aber das geht leider im Pfeifkonzert meiner Nebenleute unter.

19:00 Uhr

Sitze wieder in der Bahn nach Nürnberg. Im Frankenland ist es für den St. Pauli-Fan an sich doch am schönsten. Wir sehen uns auf drei Punkte im März 2011!

Dirty Dietz



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