Freitag, 25. März 2011
Endlich Feierabend, endlich Wochenende! Ich sitze in der S-Bahn und folge dem Gespräch des Pärchens neben mir. Es geht um den FC St. Pauli.

Er ist früher häufiger hingegangen und hat sogar mal ein paar Jahre lang eine Dauerkarte besessen. Mittlerweile fällt ihm der ganze Ultra-Hokuspokus aber auf die Nerven. Sie war nur zweimal da. Generell gefallen ihr keine laut grölenden, betrunkenen Männerhorden. Aber als sie vor zwei Jahren nach Hamburg kam, ist sie halt mal mitgegangen. Den ach so anderen Verein muss ja jeder Zugezogene mal erlebt haben.

Und ruck zuck ist die gute Laune des Wochenendes auch schon fast wieder verflogen. Nein liebe Touristen und Neu-Hamburger, ihr müsst nicht zum Gaffen ans Millerntor kommen. Ihr verkörpert das klassische Event-Klientel, das mir so unwiderstehlich auf den Sack geht und mich ab und an die sportliche Unterklassigkeit herbeisehnen lässt.

Bei genauerem Hinsehen muss ich allerdings Nachsicht walten lassen. Schließlich sind wir ja alle irgendwie und irgendwann mal am Millerntor gelandet. Sei es der Banker, der von seinen Geschäftspartnern eingeladen wurde, sei es der Punker, der eben mal im Stadion soff, statt an der Tanke auf dem Kiez. Ein erstes Mal gab es für jeden. Für viele war es nicht mal der FC St. Pauli der ihnen den ersten Kontakt zum Fußball beschert hat.

Nun kann ich es nicht mit Zahlen belegen – und wahrscheinlich hat auch noch niemand eine solche Statistik erhoben – aber gefühlt kenne ich keine Fanszene, deren Verein für ihre Mitglieder nicht mindestens die zweite Station in ihrem Fandasein darstellt, wie die des FC St. Paulis. Viele meiner Freunde haben früher zu anderen Vereinen gehalten. Sei es Aachen, Bremen, Freiburg, Schalke oder Gladbach, um nur einige zu nennen. Warum nun soviele Leute Nick Hornbys These, man suche sich seinen Verein nicht aus, er wird einem gegeben, widerlegen, wer weiß? Ohne Zweifel aber stellt sich unter den Wechslern die Fraktion aus dem Volkspark als die mit Abstand größte dar. Und da kann ich nur schildern, wie es bei mir war.

Ich selbst hatte in den Saisons 82/83 und 83/84 eine Dauerkarte für Block E in der alten Westkurve. Nun will ich mich hier nicht moralischer darstellen, als ich wirklich bin. Es gab damals unterschiedliche Gründe für mich, nicht mehr zum Fußball zu gehen. Allerdings waren es nicht die rassistischen und sexistischen Attitüden, die damals in den Kurven Gang und Gebe waren. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Das die Gesellschaft provozierende Gebaren ließ mich zu den älteren Kuttenträgern aufschauen und verlangte mir groteskerweise sogar etwas wie Respekt ab. Das dadurch Minderheiten diskriminiert oder gar bedroht wurden, habe ich mit 12 oder 13 Jahren einfach noch nicht geblickt.


Es war dann mein Opa, der mich darauf aufmerksam machte, dass St. Pauli die Aufstiegsrunde zur 2. Bundeliga spielte und fragte, ob wir da nicht mal hin wollten. Seit dem 2-1 Sieg gegen den VfB Oldenburg an diesem 24. Mai 1986 ist es um mich geschehen. Damals gab es die Rivalität zwischen den Stellingern und uns in der heute bekannten Form allerdings noch nicht. Die sollte sich erst mit unserem Aufstieg 1988 in die Bundesliga entwickeln. Viele der Zuschauer hegten Sympathien für beide Vereine und besuchten nach wie vor parallel die Spiele im Volkspark. Aufgrund der großen Schnittmenge auf den Rängen wunderte sich zunächst auch niemand über Lieder von den „Zehn nackten Negern mit Hosenträgern“ oder ähnlichem.

Was also machte den Unterschied? Wahrscheinlich war es ganz profan. Fußball am Millerntor hatte etwas amateurhaftes. In der Halbzeit wanderte man in die gegenüber liegende Kurve, um stets hinter dem gegnerischen Keeper stehen zu können. Dieser Verein mit dem charmant unprofessionellen Flair konnte in den bezahlten Fußball aufsteigen. Underdog-Feeling eben, mehr war es wohl gar nicht.

Was aber ein wenig irritierend anmutete, war die von Spiel zu Spiel anwachsende Gruppe von Punks, die sich auf der Gegengeraden versammelte und an der man beim Weg auf die andere Seite in der Pause vorbei musste. Diese kleine Fraktion, die sich um die erste Totenkopf-Fahne scharrte, brachte Ideale ins Stadion, die es in den anderen Fußballstadien nicht gab. Nach und nach verbreiteten sich diese Werte und die Leute begannen darüber zu sinnieren, ob Gegnerschmähung und Diskriminierung zwangsläufig Teil des Fußballs sein mussten. Das linke Image war geboren! Trotzdem dauerte es noch bis in die frühen 1990er Jahre, bis die letzten rechten Gruppierungen begriffen hatten, dass das Millerntor ihnen keinen Platz bietet. Die Älteren unter euch werden sich erinnern, dass es bei fast jedem Heimspiel zu mehr oder minder heftigen physischen Auseinandersetzungen mit Fan-Clubs wie beispielsweise „St. Pauli United“ kam. Der Sänger des oben eingebetteten Videos formulierte es einst recht treffend: „Wir haben die Nazis nicht durch sozial-pädagogisches Gequatsche aus dem Stadion vertrieben.“ So sieht’s aus. Ob es aber der einzig gangbare Weg war, bleibt offen. Denn die Gesinnung hat ihnen wohl auch niemand aus den hohlen Köpfen geprügelt. Da bedarf es dann doch wieder dem Engagement der Sozialpädagogen.

Wer heute die Verankerung von Antirassimus und Antisexismus in der Stadionordnung als völlig normal erachtet, der sollte sich vergegenwärtigen, dass es auch beim FC St. Pauli Menschen brauchte, die dafür hart gekämpft haben.

Dass sich diese Ideale nicht als Status Quo konservieren lassen, sondern stetig gelebt werden müssen, sollte auch jedem klar sein. Da ich seit einigen Jahren meinen Platz in Block 1 gefunden habe, bekomme ich vom asozialen Verhalten mancher Millerntor-Besucher wenig bis gar nichts mit. Bloß auswärts wundere ich mich ein ums andere mal, wer sich da so alles im Umfeld des magischen FCs tummelt. Die Debatten über assige Prollerei innerhalb der Fanszene flammen indes stets aufs Neue auf. Selbst T-Shirts wie dieses oder jenes sollen schon in unserem Stadion gesehen worden sein. Schlimm, dass so etwas vorkommt. Viel schlimmer aber, wenn niemand etwas dagegen tut.

Die Frage, wo sich der FC St. Pauli in ein paar Jahren widerfindet, kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass früher nicht alles gut war und heute nicht alles schlecht ist. Wichtig bleibt, dass wir aufbegehren, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht.

So wie wir es Ende der Achtziger gegen Nazis getan haben, so wie wir es zuletzt mit dem Jolly Rouge gegen die zunehmende Kommerzialisierung getan haben und so wie wir es in all den Jahren dazwischen gegen den Bau eines Super-Duper-Sport-Domes oder für die Rechte von Auswärtsfans getan haben. Über die Form des Widerstandes wird es immer Diskussionen geben. Aber das ist legitim und von meiner Seite aus sogar erwünscht.

Dann können sich meinetwegen auch die Touristen und Neu-Hamburger an diesen verrückten, linken Fußballfans weiden. Vielleicht kommt die Dame aus der S-Bahn ein drittes Mal wieder und entdeckt noch etwas anderes als besoffene Proleten. Und wer weiß, eventuell taucht der eine oder andere ja auch ein wenig tiefer ein und wird Teil unserer einzigartigen Szene.



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Montag, 14. März 2011

Derbysieger auf ewig
und drei Tage!

Klar, habe ich vor ein paar Wochen behauptet, den Derbysieg sofort gegen den Klassenerhalt eintauschen zu wollen. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“, könnte ich den Altbundeskanzler Konrad Adenauer jetzt zitieren, wenn ich versuche, mich aus der bedrückenden Tristesse zu befreien, die das aktuelle sportliche Vakuum erzeugt. Aber so tief bin selbst ich noch nicht gesunken, als das ich mich auf konservative Politiker berufen würde.

Gewiss, es sind noch acht, vielleicht gar zehn Spiele zu spielen, bis ein Abstieg endgültig feststünde. Und vielleicht ist es in der Tat ein wenig früh, sich ein solches Szenario auszumalen. Andererseits frage ich mich schon, gegen wen wir noch die nötigen Punkte einfahren sollen, wenn es zu Hause nicht mal gegen Lackschuh-Brunos Trümmertruppe langt. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass mit Rothenbach, Morena, Zambrano und Oczipka mal eben eine komplette, Bundesliga-taugliche Abwehrreihe bis zum Saisonende ausfällt. Wenn dann noch ein weiterer Leistungsträger wie Matze Lehmann gelbbedingt fehlt, dann kriegen wir solch eine Situation mit dem aktuellen Kader einfach nicht kompensiert. Fakt!

Da behaupte ich jetzt mal kackfrech, dass wir mit etwas mehr Erfahrung in der Hintermannschaft von ansonsten superharmlosen Schwaben keine zwei Dinger aus 30 respektive 20 Metern gefangen hätten.


Aber auch vorne geht momentan einfach zu wenig. Ein Tor aus den letzten vier Partien mutet sich, gelinde gesagt, erbärmlich an.

Also sehen wir den Tatsachen doch einfach ins Auge und schauen mal nach dem Positiven, das ein potenzieller Abstieg in die Zweitklassigkeit mit sich bringen würde. Zumal sich der FC St. Pauli laut Aussage der Vereinsführung ja langfristig unter den Top 25 der Republik etablieren soll, wäre der Gang in die zweite Liga wohl kein Beinbruch. Wenn ich da nicht ganz falsch gerechnet habe, können wir somit auch locker mal das ein oder andere Jahr im oberen Drittel des Unterhauses verweilen.

Zunächst einmal müssten wir nicht mehr so häufig in diesen widerwärtigen Kommerztempeln à la München oder Schalke antreten, um uns von Firma „Leck mich sonstwo“ den nächsten Einwurf präsentieren zu lassen.

So geht’s da nämlich in etwa ab!
Zweitens könnten wir sämtliche Jolly Rouge Transpis, Fahnen und Klamotten aufheben, um sie bei jedem Montagsspiel den interessierten DSF Sport1-Zuschauern zu präsentieren. Die Bilder lassen sich im Fernsehen nämlich nicht so einfach wegregulieren und ignorieren, wie der Ton. Das hätte eine deutlich imposantere Wirkung, als der bekackte zwanzig-minütige Stimmungsboykott, den man selbst als Eingeweihter, der genau darauf Acht gibt, kaum wahrnimmt.

Weiterhin könnte Naki mal wieder unsere Fahne in das eroberte Territorium an der Ostsee rammen. Für mich nach wie vor einer der schönsten Momente in meinem Dasein als Fußballfan.

Ach war das herrlich!
Als bekennender Querulant wäre ich auch wirklich gespannt, ob sich im Falle eines Abstieges die Business-Seats noch immer wie geschnitten Brot verkauften oder sich ein Rückbau selbiger aus Mangel an Interesse vielleicht ganz von selbst einstellt.

Aber das allerschönste an einem Abstieg wäre, dass die Vorstädter solange keine Chance auf eine Revanche hätten, bis es uns beliebt, wieder aufzusteigen. Bis auf Weiteres blieben wir also aktueller Derbysieger.





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Sonntag, 30. Januar 2011

Wir sind Sankt Pauli

Oooooooooooh – Aaaaaaaaaaah!
Das nennt man dann wohl ein Feuerwerk, was die Jungs da am gestrigen Sonnabend auf dem Rasen abgebrannt haben. Und wenn ich so alles resümiere, was ich seit gestern gelesen und gehört habe, dann habe ich wohl in der Tat das bisher beste Spiel der Saison verpasst. Aber manchmal gibt es Dinge, die sich eben nicht aufschieben lassen und die einen solch hohen Stellenwert besitzen, dass ich gestern aus privaten Gründen schlichtweg auf ein Heimspiel verzichten musste.

Doch spart euch bitte euer Mitleid, denn der Verzicht macht mich umso hungriger auf kommenden Sonntag. Ich möchte es mal folgendermaßen beschreiben: Stellt euch vor, ihr seid zum „All You Can Eat“ ins Tafelhaus geladen und fastet einen Tag zuvor, um anschließend extra viel verspachteln zu können.

Zwar erklärte mir mein Kumpel Schuller ganz nüchtern, dass das Spiel gegen Gladbach das deutlich wichtigere sei und er sofort unterschreibe, garantiere ihm jemand einen Sieg gegen die Fohlen und dazu einen Punkt gegen die Vorstädter, aber manche Dinge kann ich einfach nicht emotionslos betrachten. Ein Derby gehört für mich definitiv dazu! Daher entgegnete ich ihm, dass ich den Derbysieg ad hoc gegen den Klassenerhalt eintauschen würde.

Ehrlich gesagt, weiß ich aber überhaupt nicht, wieso Fußballfans dauernd auf die Idee kommen, solche Dinge würden in ihrer Macht liegen. Sollten wir Sonntag tatsächlich den ersten Sieg seit 34 Jahren einfahren und am Ende der Spielzeit trotzdem den Gang in Liga 2 antreten müssen, braucht niemand mit dem Finger auf mich zu zeigen. Unterschrieben habe ich nämlich gar nix!

Aber wie auch immer, meine größte Befürchtung liegt eh darin, dass das Spiel wieder zu einer elenden Weichspülerveranstaltung verkommt. Da wird mir jetzt noch übel, wenn ich an den Friedens-Feldzug des Boulevards vor dem Hinspiel zurückdenke. Um es vorweg zu nehmen: Prinzipiell begrüße ich kategorisch jede Aktion, die hilft, Gewalt zu vermeiden. Aber es glaubt doch keiner im Ernst, dass sich irgendwelche Leute, die Stress suchen, davon beeinflussen lassen, dass Ewald aus Kaltenkirchen in Rautenbettwäsche schläft, während sich seine Frau Helga neben ihm in ihr St. Pauli Kissen kuschelt. Die ganze Kampagne hat bestenfalls dazu geführt, dass wir ein Derby gesehen haben, das diesen Namen nicht verdient hat und für das ich mich sogar fast geschämt habe.

Genau deshalb habe ich auch keinerlei Skrupel, die drei Buchstaben „hsv“ verbal mit Fäkalien jeglicher Couleur in Verbindung zu bringen.

Egal wo ihr meinen Blog gerade lest, ob mitten in der Nacht vorm heimischen Rechner oder in der U-Bahn auf dem Smartphone, ob vormittags im Büro oder im Rechenzentrum der Uni, traut euch doch einfach mal ganz leise zu summen:

Wir sind Sankt Pauli – Scheiß hsv!
Na? Ist doch gar nicht so schlimm…

Und jetzt lasst eure Nachbarn, die anderen Fahrgäste, die Kollegen und Kommilitonen mal dezent aufhorchen:

Wir sind Sankt Pauli – Scheiß hsv!

Und jetzt will ich, dass es die ganze verdammte Stadt hört:

Wir sind Sankt Pauli – Scheiß hsv!



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Dienstag, 18. Januar 2011

Das war „St. Pauli-Like“

Es ist ja nun leider Gottes so, dass der Gemütszustand eines Fußballanhängers elementar mit dem Erfolg der Mannschaft zusammenhängt. Das ist bei mir selbstredend nicht anders, sonst wäre ich Hobbypolitiker und kein Fußballfan. So wirkt der doppelte und mehr als ärgerliche Punktverlust vom Sonnabend auch noch deutlich nach.

Aber so schwierig es auch ist, ich versuche jetzt einfach mal, das Sportliche auszuklammern. Und das, was dann übrig bleibt, ist einfach nur fantastisch. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas jemals mal in einem Fußballstadion erlebt zu haben.

Rot ist die Liebe!
Foto: Stefan Groenfeld
Na klar habe ich mit einem imposanten Protest, vielen roten Fahnen und kreativen Spruchbändern gerechnet, aber diese Ent- und vor allem Geschlossenheit war überwältigend. Rot, wohin das Auge blickte! Das werde ich so schnell nicht vergessen, und es erfüllt mich mit Stolz und Hoffnung, ein Teil dieser Fanszene zu sein. Dabei, so denke ich, ist wohl auch dem Letzten klar geworden, dass sich mehr Leute um Entwicklung des Vereins sorgen, als zehn Leute, die sich via Email über die LED-Banner echauffieren und es sind auch mehr als 4.000 Mitglieder der anonymen Masse im Internet. Es waren über 20.000, die rote Flagge gezeigt haben.

Angeblich lief’s dem Präsidium derart heiß und kalt über den Rücken, dass es bereits in der Pause die erste Krisensitzung einberief. Warum das so ist, kann ich allerdings genauso wenig nachvollziehen, wie die Befürchtungen vor dem Spiel, dass die Unterstützung der Mannschaft unter dem Protest leiden könne.

Deshalb erkläre ich es nochmal. Es geht uns beim Fußball darum, den Emotionen freien Lauf zu lassen. Wir wollen leiden, wir wollen hoffen, wir wollen schreien, wir wollen hadern, wir wollen jubeln, wir wollen weinen. Wo sonst noch können wir unsere elementaren Gefühle so befreit ausleben, wenn nicht im Stadion? Und das wollen wir gemeinsam tun.

Sonnabend haben wir eindrucksvoll demonstriert, wie wir uns den Fußball wünschen. Ehrlich und direkt und eben frei von der ganze Kacke drum herum. Ein Stimmungsboykott wäre da vollkommen kontraproduktiv gewesen und hätte allenfalls gezeigt, was passierte, würden wir uns dieser Politik wehrlos ergeben.

Somit ist das erste Etappenziel mehr als erreicht. Die Vertreter des Vereins bei den morgigen Gesprächen, wissen jetzt, worum es geht und mit wem sie es zu tun haben – nämlich mit uns allen!

Damit besteht endlich eine gesunde Basis für die weiteren Gespräche, bei denen nun auf Augenhöhe und, wie ich hoffe, mit einer gewissen Gelassenheit die einzelnen Kritikpunkte abgearbeitet werden können. Das nenne ich „St. Pauli-Like“!


Wenn ich euch jetzt noch erzähle, dass ich wegen des Regens nicht auf der Demo war, dann beschimpfen mich wahrscheinlich viele als Schönwetterprotestierer. Also formuliere ich es einmal anders. Das Wetter hat mich animiert, über die Sinnhaftigkeit der Demo nachzudenken. Denn, wie ich oben beschrieben habe, ist der Zweck der Proteste vorläufig mehr als erreicht. Erst, wenn die morgigen Gespräche in einer Sackgasse münden und die angebotenen Kompromisse nicht akzeptabel sind, sollten wir über weitere Maßnahmen nachdenken und zeigen, dass wir noch einiges mehr in petto haben. Dann wäre eine Demo nach dem Spiel gegen Köln ein möglicher, nächster Schritt. Übrigens demonstriert es sich bei trocknen Witterungsverhältnissen mit einem Sieg im Rücken noch ‘ne Spur enthusiastischer.



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Donnerstag, 30. Dezember 2010

LED, Titten und Gentrifizierung

St. Pauli verrecke, damit wir leben können?

Ungenierte Gentrifizierung in unserem Stadion, Tittenshows bei jedem Tor und bunte LED-Banner mit lustigen Grußbotschaften auf drei Tribünen – was wohl lässt sich der „etwas andere Verein“ als nächstes einfallen? Die Geldbeschaffungsmaschinerie namens Bundesliga lässt Raum für jede noch so kreative abstruse Idee.

Schlechte Aktion in schlechter Qualität
Nun, zumindest letztere ging an mir vorbei. Da ich das Privileg genieße einen Platz ganz oben in Block1 mein Eigen zu nennen, verwehrte mir das Dach der Gegengeraden den Blick auf die LED-Banner. Der Umstand, dass ich mir den Hals verrenken musste, um diesen unsäglichen Dreck sehen zu können, mindert meinen Ärger aber keineswegs. Eines verspreche ich euch: Wenn diese widerliche Entwicklung der zügellosen Kommerzialisierung und damit die Zerstörung aller Werte, die wir uns in den letzten 25 Jahren erkämpft haben, nicht abrupt ihr jähes Ende findet, dann bin ich spätestens weg, wenn die Gegengerade abgerissen wird.

Allerdings bin ich recht zuversichtlich, dass sich dies noch ein wenig hinziehen wird. Schenke ich den Gerüchten Glauben, die mir zu Ohren gekommen sind, so wurden statt der ursprünglich veranschlagten 32 Millionen €uro für den gesamten Stadionausbau bisher schon 40 Millionen nur für die ersten beiden Tribünen verballert, ohne Eigenkapital wohlgemerkt. Wenn’s jetzt noch mit der Bürgschaft der Stadt nicht klappt – und danach sieht es im Moment ja aus – dann wird’s eng mit dem Weiterbau, oder?

Wenigstens die Mannschaft scheint auf unserer Seite zu stehen und tut zurzeit alles Erdenkliche dafür, dass wir in der nächsten Saison wieder in einer besseren Liga spielen. Dann bin ich mal gespannt, ob die Logen und Business-Seats immer noch wie geschnitten Brot weggehen. Ich schätze die Situation da ein wenig anders ein als beispielsweise Norbert und behaupte mal, dass das ein schwieriges Unterfangen wird. Denn es stellt einen Unterschied dar, ob man als aufstrebendes Team durch die zweite Liga marschiert, dadurch einen Hype forciert und somit das Event-Gesindel anzieht oder ob man eben als ernüchterter Absteiger in der 2. Liga aufschlägt. Als bekennender Querulant bin ich natürlich gespannt, ob der Karren dann endgültig an die Wand fährt.

Wenigstens müsste der Verein dann keine Rundumsorglospakete für besonders wichtige zahlungskräftige Personen mehr anbieten und damit den armen Schwarzmarkthändlern das Wasser abgraben.

Einst persiflierte Slime die Ode vom Soldatenabschied (Würg!) des Faschisten Heinrich Lersch. Damit wir diesen Song nicht noch einmal in „St. Pauli muss sterben, damit wir leben können“ umdichten müssen, lest, unterzeichnet und verbreitet die Petition der Sozialromantiker.

Zeigt den Totengräbern des magischen FCs,
wer hier am längeren Hebel sitzt!



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Dienstag, 21. Dezember 2010

Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?

Meine Fresse war die aufsteigende Kälte am Sonnabend widerwärtig. Aber so ist das wohl im Winter. Deshalb wird mich wohl auch niemand als neuen Messias feiern, wenn ich prophezeie, dass der heißeste Tag dieses Jahr schon durch ist. Wieso sich trotzdem manche noch im Sommermärchen 2010 wähnen, erscheint mir als unlösbares Rätsel.

Was ich mir sportlich Woche für Woche reintun muss, nährt die Hoffnung lässt befürchten, dass es nach der Anfangseuphorie in der Bundesliga weiterhin rapide bergab geht. Da stellt das Spiel gegen Mainz lediglich denn bisher traurigen Höhepunkt dar. Das bittere sind nicht allein die vier viel zu leicht erzielten Gegentore, sondern die Tatsache, dass die Mannschaft zu keiner Sekunde des Spiels in der Lage war, auf die Situation zu reagieren – von agieren in einem Heimspiel will ich ja gar nicht sprechen. Gut, wir haben auch zwei Dinger gemacht. Einen Elfer, über den man höchst kontrovers diskutieren kann und einen abgefälschten Sonntagsschuss. Aus dem Spiel heraus kam: NICHTS!

Bezeichnend, dass der magische FC allenfalls geringfügige Gefahr auszustrahlen vermochte, wenn er es mit lang Hafer versuchte und irgendwie die zweiten Bälle erobern konnte. Warum also lief die Kugel bei den Mainzern und führte zu wunderbar herausgespielten Toren? Weil die es einfach versuchten und obendrein von Denen niemand einen Sommernachtstraum döste. Wird Zeit aufzuwachen. Der wunderbare Sommer mit Aufstieg und Feierlichkeiten ist vorbei. Der triste Winter hat Einzug gehalten. Und wenn das nicht bald jeder merkt, dann wird’s diese Saison nix mehr mit eitel Sonnenschein!


Ach so, und dann gab’s neben Sport und Eiseskälte ja auch noch das ganze tolle Drumherum. Aber eigentlich habe ich überhaupt gar keine Lust, die ganze Scheiße hier runter zu leiern und verweise der Einfachheit halber auf Frodo, der dies vorzüglich getan hat.

Positiv anzumerken bleibt noch, dass wenigsten Susi ihr Versprechen gehalten hat. So durften aus Gründen der Gleichberechtigung auch mal ein paar süße Boys an der Stange rummachen. Das folgende Bildmaterial, welches mir auf undurchsichtigen Wegen zugespielt wurde, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Hier seht ihr exklusiv auf OTT, was sich am Sonnabend im notorischen Séparée abspielte:

Herzerwärmend, wie ich finde!



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Montag, 6. Dezember 2010

Gewonnen!

Aber war das nicht von vornherein klar?

Endlich steht mal wieder ein Dreier für die geschundene braun-weiße Seele zu Buche. Und nach dem 1-0 durch ein Eigentor kann man sogar von einem richtig schmutzigen Triumph sprechen – Wunderbar! Die sportliche Talfahrt scheint mit fünf Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz vorerst gebremst.

Aber wenn ich das Ganze mal nüchtern aus der Distanz betrachte, dann deuteten eigentlich genügend Omen auf einen Sieg gegen den Verein aus der Region. Sicherlich sprach vor der Partie die Bilanz von nur zwei(!) Siegen aus 24 Pflichtspielen nicht eben für ein Erfolgserlebnis gegen die toten Reufel. Und vor dem Spiel erschien ein offensichtlich reichlich staubaufwirbelnder Übersteiger. Dazu muss man wissen, dass ich nun an mittlerweile acht Ausgaben mitgewirkt habe und bei den ersten sieben kein einziger Sieg am Erscheinungstag zu vermelden ist.

Aber mit trivialer Statistik oder einfachen Gesetzmäßigkeiten lässt sich der Fußballgott eben meist nicht in die Karten schauen. Okay, dass wir gerne als Aufbaugegner für angeschlagene Teams herhalten, ist eine banale Wahrheit, die sich leider nicht erst seit dieser Saison immer wieder bestätigt.

Laaaaaaangweilig!

Aber ansonsten ist das Herbeiführen von Sieg oder Niederlage weitaus komplexer. Oder habt ihr euch noch nie gefragt, warum auf einmal der Schal, mit dem der FC viermal infolge gewonnen hat, urplötzlich nicht mehr funktioniert, obwohl ihr ihn aufgrund seines Mythos auch bei sommerlichen Temperaturen noch um den Hals wickelt? Warum hat keine Mannschaft vom schwarzen Kontinent jemals einen WM-Titel gewonnen, obwohl sie professionelle Hexer engagiert, um das eigene Team zu stärken und den Gegner zu schwächen?


Weil es eben weitaus vielschichtigerer Rituale braucht! Die sensible Kombination der Verwendung von Insignien ist der Schlüssel. Beispielsweise habe ich seit langem am Spieltag mal wieder meinen Kaffee aus meiner LFC-Tasse getrunken. Die hatte vorher lange nicht funktioniert. Warum? Weil ich mir seit Ewigkeiten vorm Spiel kein Feuerzeug im Jolly Roger gekauft habe! Den oben zitierten Schal trug ich übrigens auch. Der wirkte aber nur mit der neuen Mütze, die ich vor dem Spiel erstanden habe, weil meine alte nach der ÜS-Weihnachtsfeier verloren gegangen ist. Weiterhin knipste endlich mal wieder mein Stammordner meine Dauerkarte ab, während ich mein Bier diesmal an einem anderen Stand als gewohnt besorgte. Offensichtlich macht es die Mischung aus Bewehrtem und Gewagtem.

Aber auch wer die äußeren Zeichen richtig deutete, dem musste klar sein, dass wir nur 1-0 gewinnen konnten. Ein einziges Mal haben wir diese Saison zu Null gespielt. Am siebten Spieltag gegen Hannover. Weshalb? Weil die halbe Viererkette ausgetauscht worden war. Statt Lechner und Zambrano spielten Rothenbach und Gunesch. Freitag standen mit Morena, Gunesch und Volz sogar gleich drei Neue von Beginn an in der hintersten Reihe. Und dann wäre da auch noch der Blick auf den Gegner. Immer wenn eine Mannschaft nach einem 5-0 Erfolg gegen uns antreten muss, setzt es eine Niederlage mit einem Tor Unterschied. So ebenfalls geschehen am fünften Spieltag gegen Gladbach. Also war das 1-0 nur logisch. Da hätte mein lieber Freund Christian gar nicht zum Curling (!) gehen müssen und er muss es auch nicht beim letzten Heimspiel gegen Mainz tun, wie er es sich im Falle eines Erfolges geschworen hatte. Daran lag es nämlich nicht!

Nächste Woche greift dann aber leider wieder die alte Regel vom Aufbaugegner für strauchelnde Mannschaften. Es sei denn, es bewahrheitet sich folgende mathematische Reihe:


Zur Erklärung: 1991 haben wir 0-1 bei den Bayern gewonnen. Danach dauerte es elf Jahre – bis 2002 – bis wir den Bajuwaren erneut die Lederhosen ausziehen konnten. Damals siegten wir 2-1. Der Formel nach dauert es diesmal nur acht Jahre – 11 minus 3, also bis 2010 – bis wir erneut gewinnen, und zwar mit 2-3!



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Mittwoch, 24. November 2010

Ich könnte kotzen!

Eigentlich gab es am Sonntag rein gar nichts zu mosern. Die Mannschaft agierte auf dem Feld genauso, wie ich es mir immer wünsche und die Unterstützung von den Rängen war gut, wie lange nicht mehr. Selbst die Haupttribüne war zum Anpfiff der zweiten Halbzeit erfreulich gut gefüllt. Das unterm Strich nicht mehr rausgesprungen ist? Pech! Eigentlich alles gut also, hätte ich da nicht am Dienstag erfahren, was sich hinter den getönten Scheiben oberhalb der Business-Seats in den sogenannten Séparées abspielt.

In der Loge von Susis Showbar wird neuerdings ein alternatives Animationsprogramm geboten – Stangentanz bei jede Tor! Da schauen natürlich auch die Gäste aus den Nachbarlogen gern mal rein. Warum auch nicht? Schließlich sind wir doch die große, lustige Pauli-Familie!

Wie aber darf ich mir das jetzt genau vorstellen? Da sitze ich also in einem Fußballstadion (!) und stiere mit mehr als einem Auge auf den Arsch und die Titten einer heißen Stangentänzerin, während ich dabei eine leckere kalte Muschi schlecke schlürfe. Zu blöd nur, dass ich anschließend ganz bis auf den Kiez rüber muss, wenn ich dann erstmal so richtig horny bin. Wieso hat hier eigentlich noch niemand einen Puff aufgemacht?

Man kann ja über Vieles streiten und meist auch von mindestens zwei Seiten betrachten, aber hier wird (mal wieder) eine Grenze überschritten, hier werden Leitlinien mit Füßen getreten. Und das hat mit dem St. Pauli, das ich in den letzten 25 Jahren so sehr lieb gewonnen habe, immer weniger zu tun.

Es kotzt mich an! Quasi im Wochentakt gibt’s neue Horrormeldungen vom grauen Klotz am Bein. Wenn ich könnte, ich würde diese verschissene Tribüne sofort wieder abreißen.

Am besten frage ich gleich mal bei Corny nach, ob er nicht irgendwo aufm Hof noch den Bagger stehen hat, mit dem er seinerzeit die Kartenhäuschen vor der Südkurve umgepiekt hat.




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Montag, 15. November 2010

Support ist Interaktion

Mindestens drei umstrittene Szenen in den letzten zehn Minuten, die Diskussionen um einen möglichen Strafstoß entfachten, ein Ball der beim Stande von 0-0 in der 69. Spielminute an den Pfosten klatscht, ich könnte mich maßlos über das Spiel am Sonnabend ärgern! Tue ich aber nicht. Warum das so ist? Nun bevor ich hier ellenlang aushole, lest einfach mal die Auszüge der bislang schlechtesten ersten Hälfte des Live-Tickers der Mopo, den ich an dieser Stelle ausnahmsweise mal zitiere, ganz einfach, weil es auf die Schnelle der Einzige war, den ich nachträglich gefunden habe. Da Ticker prinzipiell aber alle gleich funktionieren, nämlich spontan und chronistisch, spielt es keine Rolle, woher er stammt.
1. Minute: Erster Angriffsversuch der Gäste. Barnetta flankt aus dem Halbfeld in den leeren 16er.

8. Minute:Sam zieht in den Strafraum und zieht ab. Überweg.

15. Minute: Gefahr für das Tor von Kessler. Barnettas Freistoß findet Friedrich. Aus wenigen Metern setzt der Innenverteiger den Ball am Tor vorbei.

19. Minute: Barnetta mit Fernschuss! Aus der Drehung setzt der Schweizer den Ball knapp über die Latte. Kessler wäre aber mit der Hand dagewesen!

27. Minute: Da blitzte mal kurz eine Idee auf. Asamoah verliert den Ball im Mittelfeld, Rolfes marschiert zentral und versucht mit einem Lupfer Barnetta im Strafraum anzuspielen - Kessler ist da und stört den Leverkusener! Gut mitgespielt vom Keeper!

30. Minute:Oha! Thorandt mit Aussetzer am eigenen Strafraum gegen Helmes. Nur mit vereinten Kräften kann die Abwehr Schlimmeres verhindern.

31. Minute: Leverkusen dreht nun auf. Sam geht allein auf's Tor zu, ist schneller als Thorandt... und findet in Kessler seinen Meister. Eckball.

35. Minute: Leverkusen wird immer gefährlicher. Kadlec legt im Strafraum quer - einzig Zambrano verhindert Schlimmeres.

36. Minute: "Einfach mal rauf" muss sich Helmes da gedacht haben und setzte den Freistoß hart und herzlich über die Latte.

37. Minute: Der direkte Gegenzug: Oczipka ist aufgerückt, die linke Abwehrseite frei und Sam hat Platz. Aus 17 Metern gönnt sich der Angreifer mal einen Schussversuch - wie ein Strich über die Latte.

39. Minute: Autsch! Barnetta bringt den Freistoß rein, St. Pauli spielt auf Abseits. Stefan Reinartz springt mit gestrecktem Bein in den Ball und trifft vor Allem Kessler. Gelb für den Leverkusener, der zum Glück im letzten Moment noch zurückzog.

41. Minute: Nächster Torschuss der Werkself. Kessler hält gegen Barnetta. Der Schweizer dreht mehr und mehr auf. Thomas Kessler zum Glück ebenso!

45. Minute: Barnetta wird von Zambrano im Strafraum zu Fall gebracht. Zum Glück war die Berühung zu leicht und es gibt keinen Elfmeter.
Somit denke ich, dass mir wohl jeder Recht zollt, wenn ich behaupte, mit einem 0-4 zur Halbzeit wären wir mehr als gut bedient gewesen. Deshalb muss man eigentlich noch dankbar sein, dass die anfangs geschilderten Szenen überhaupt noch zu solch einer Spannung in der Schlussphase führten.

Demzufolge war es auch mehr als logisch, dass die Stimmung nach fünf Minuten in der ersten Halbzeit rapide abnahm. Da hatte ich einen richtigen Hals, das werden alle Leute, die um mich herumstanden wahrlich bestätigen können. Einige Male war ich gar kurz davor ein lautes „Aufwachen! Aufwachen!“ zu intonieren. Aber was verkneift man sich nicht alles, nur um der lebende Trainerlegende nicht eventuell auf die Nerven zu fallen. Deshalb empfand ich die abgewandelte Variante „Aufessen! Aufessen!“ zur Begrüßung der zweiten Hälfte der Haupttribüne dann als sachte Ironie des Schicksals. Aber über dieses Thema habe ich mich ja schon hinreichend geäußert.

Und täglich grüßt das Murmeltier…
Foto: Stefan Groenfeld
Mit Beginn der zweiten Hälfte, leere Westtribüne hin oder her, trat dann aber überaschenderweise eine ganz andere braun-weiße Mannschaft auf den heiligen Rasen. Gut, der Ball lief immer noch nicht wie am viel zitierten Schnürchen, so wie man es aus der letzten Saison oder auch den ersten Spielen dieser Spielzeit gewohnt war. Woran dies liegt sollen aber andere herausfinden und gegebenenfalls schleunigst beheben. Aber wenigstens war der Wille erkennbar. Die Zweikämpfe wurden angenommen und dadurch ergab sich dann eben auch die ein oder andere Chance wie eben Asas Aluminiumtreffer. Und plötzlich wurde auch die Unterstützung von den Rängen schlagartig besser. Genau deshalb halte ich die von USP in der letzten Ausgabe der „Südkurve“ entfachte Diskussion, ob der Funke nun von den Rängen auf das Feld oder umgekehrt überspringen muss, für ausgemachten Quatsch. Vielmehr sehe ich das Ganze als Interaktion. Das Publikum am Millerntor verfügt nämlich über ein sehr sicheres Gespür dafür, ob die Mannschaft gerade Unterstützung nötig hat. Es bedarf lediglich der entsprechenden Signale auf dem Platz. Wenn diese nicht kommen und die Zuschauer das Gefühl haben, dass da elf blutleere Akteure ihren Stiefel runter spielen, dann verlieren Einige vielleicht auch mal die Partylaune.

Jetzt hoffe ich, dass sich alle mal am Riemen reißen und wir das Ding gegen Volkswagen Wolfsburg endlich mal wieder fertig machen. Alle gemeinsam – von der ersten bis zur letzten Minute – auf dem Platz und auf den Tribünen!



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Samstag, 6. November 2010

Mit dem Bus ins Tollhaus

Seit einer wahren Ewigkeit war ich am Freitag das erstemal wieder mit dem Bus unterwegs auf Auswärtstour. Da ich erst relativ pünktlich da erschien, wo früher das alte Clubheim stand, aber heute immer noch die Busse des Fanladens abfahren, machten sich bei meiner kleinen Bezugsgruppe Bedenken breit, ob wir denn noch drei zusammenhängende Plätze ergattern würden. Wer aber regelmäßig einen kühlen Kopf bewahrt, der wird feststellen, dass sich die meisten Probleme von selbst erledigen. So war es auch diesmal. Wie von Zauberhand eröffneten sich beim Einsteigen vor uns drei jungfräuliche Sitze in der ersten Reihe und wir durften bequem direkt neben dem Reiseleiter des Fanladens Platz nehmen. Nun muss ich gestehen, dass ich in Reisebussen normalerweise immer irgendwo in den hinteren Reihen anzutreffen bin. Diesmal saß ich also ganz vorne bei den Erwachsenen.

Kopfgeficke

Das war aber nicht minder interessant, gerade wenn man wie ich gerne empirische Feldstudien über die menschliche Interaktion führt. Diese scheint nämlich auf Busfahrten mit Fußballfans nach festgeschriebenen Regeln zu erfolgen. Da wären zum ersten unsere beiden Fahrer Cem und Joachim, wobei letzterer dieses Attribut eigentlich gar nicht verdient, denn Cem hat ihn weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt auch nur eine Sekunde ans Steuer gelassen. Beide haben sich aber offensichtlich rigoros auf die Fahnen geschrieben, unter gar keinen Umständen direkt mit dem Transportgut, sprich uns Fahrgästen, zu kommunizieren. Das lief dann ausnahmslos über das Medium, seines Zeichens Reiseleiter. Darüber hinaus verzichteten unsere zwei Kutscher vollends auf irgendwelche rhetorischen Schnörkel.

Als beispielsweise einige der Fahrgäste im Gang vor der Toilette warteten, deutete Joachim nur trocken mit dem Daumen nach hinten: „Hinsetzten!“ daraufhin ergriff das Medium das Mikro und forderte die Leute auf, doch bitte wieder Platz zu nehmen. Richtig spannend wurde es dann, als die erste CD mit St. Pauli-Songs durchgelaufen war. Cem dankte Gott, denn wäre es noch länger gegangen, hätte er nach eigener Aussage kotzen müssen. Stattdessen warf er seine eigene Techno-Auswahl in den Player. Ihr macht euch kein Bild, wie neugierig ich auf die Reaktion aus den hinteren Reihen war. Da musste ich dann aber nicht wirklich lang drauf warten, denn dies löste nun auf der anderen Seite spontane Übelkeit aus. Also kam jemand nach vorne, erklärte dem Medium die Sachlage und bat freundlich um andere Mucke. Angeblich wäre sogar Oldie 95(!) ok gewesen. Na, Leute nun mal keine falsche Bescheidenheit an den Tag gelegt, dachte ich noch, als Cem erwiderte: „Kein Problem, solange es bloß nicht wieder so ein Kopfgeficke ist!“ Blöd, dass der angebotene Tonträger aus Cems Sicht wieder Kopfgeficke beinhaltete und er die anschließenden „Lauter, lauter!“-Rufe einfach ignorierte. Mensch Leute, habt ihr denn gar nichts gerallt? Ihr müsst ans Medium ran!

In diesem Stil ging’s dann weiter bis nach Schalke, wobei sich die Stimmung nicht wirklich schlecht aber in jedem Fall sehr interessant entwickelte. Mir hat es jedenfalls einen Heidenspaß bereitet, Cem und seinen Beisitzer zu belauschen, wie knallhart sie sich auf der letzten Rainbow-Tour nach Rimini gegenüber Medium und Fracht durchgesetzt haben.

Wie auch immer, gut zwei Stunden vor dem Anpfiff kamen wir dann auf Schalke an. Wer noch nicht dort war, dem sei gesagt, dass er sich auch guten Gewissens nach Stellingen begeben kann. Denn da sieht’s kein Stück anders aus. Weitläufige Riesen-Parkplätze um die hellerleuchtete Arena herum – das war’s! Was also sollten wir mit unserer Zeit anfangen? In der Erwartung, dass vielleicht noch irgendwas passieren könnte, standen wir noch eine halbe Stunde vor dem Gästeeingang im Regen herum. Wahrscheinlich werde ich euch nicht überraschen, wenn ich offenbare, dass sich natürlich nichts Erwähnenswertes mehr abspielte. Also rein.

Auf Schalke ist übrigens nicht nur der Stadionname an einen zahlungskräftigen Sponsor verramscht worden, sondern jede einzelne Tribüne. Wir befanden uns beispielsweise in der Veltins-Arena auf der Erdgas-Tribüne, Block VW. Klasse!

Niederer Sing Sang

Zum Spiel will ich gar nicht viel schreiben. Es zieht sich halt durch, dass wir uns hervorragend als Aufbaugegner für angeschlagene Teams eignen. Ist nicht wirklich was Neues. Und auch, wenn wir in der einen oder anderen Situation (mal wieder) ein wenig Pech hatten, so sind zweieinhalb gut vorgetragene Angriffe über 90 Minuten einfach zu wenig. Null Punkte und 1:8 Tore aus den letzten drei Spielen sprechen eben auch eine klare Sprache. Jetzt weiß wenigstens jeder, worum es in dieser Saison geht, und die Träumereien von was weiß ich was hören endlich auf.

Spätestens nach dem 0:2 hatte ich dann auch endgültig das Bedürfnis, meine Schnauze zu halten. In diesem winzigen Tortenstück, das als Gästeblock fungiert, wird man in dieser ultramodernen, sterilen Halle sowieso nicht wahrgenommen. Zumal an Fanutensilien vom Konfetti über Tapeten, Blockfahnen und Doppelhalter wirklich alles verboten war. Selbst ein durchgestrichenes Marihuanablatt gab’s am Einlass zu bestaunen. Echte Partybremsen sind das im Revier!

Offensichtlich ging es aber nicht allen so wie mir. Die Ultras sangen tapfer und schwenkten durchgängig bis zum bitteren Ende ihre Fähnchen. Kann ja jeder machen wie er will, meine Stimmungslage traf es diesmal nicht. Den Typen vor mir kann ich aber genauso wenig verstehen. Nur zu pöbeln und zu kritisieren, USP sänge alles andere nieder, ist mindestens genauso großer Schwachsinn. Denn da muss man sich dann doch die Frage gefallen lassen, was denn da nun angeblich niedergesungen wurde. Jedenfalls habe ich nicht mal im Ansatz irgendetwas wahrgenommen, was man da hätte niedersingen können – selbst wenn man gewollt hätte.

Aber bevor ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe, möchte ich euch einfach das folgende Video anbieten. So in etwa bleibt das Tollhaus Schalke bei mir hängen. Stellt euch einfach das Dach noch geschlossen vor, die Atmosphäre trifft es sehr gut. Und die Mucke ist ganz bestimmt nach Cems Geschmack. Herrlich verrückt!





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